Forum Judentum Christentum

forumjc

Mauer des jüdischen Friedhofs in Lingen wird saniert

30 Montag Nov 2020

Posted by forumjc in Aktuelles, Allgemein

Der jüdische Friedhof in Lingen ist von herausragender Bedeutung für das Forum Juden-Christen. Dass die im Eigentum des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen stehende Ruhestätte dem Vergessen und der Verwahrlosung  entrissen wurde,  war der Anfang des Arbeitskreises Juden- Christen unter Leitung von Josef Möddel, aus dem das Forum hervorging.  Führungen über den Friedhof sind wesentlicher Teil der Erinnerungsarbeit des Forums. Gertrud Anne Scherger legte 2009 einen umfangreichen Dokumentationsband über den Friedhof und jüdische Begräbniskultur vor. Auch daher war es dem Forum – vor allem Dr. Heribert Lange und Simon Göhler – wichtig, dass die einsturzgefährdete Mauer zwischen dem jüdischen Friedhof und dem angrenzenden “Alten”  Friedhof restauriert wird. Die jahrelangen Bemühungen hatten jetzt Erfolg, wie der folgende Bericht von Johannes Franke (Lingener Tagespost) darstellt.

Die etwa 90 Meter lange Mauer zwischen dem jüdischen und Alten Friedhof wird saniert. Christian Schulte, Florian Heinen und Gernot Wilke-Ewert erläuterten bei einer Ortsbesichtigung die Vorgehensweisen. (v.l.) Fotos: Johannes Franke

“‘Wir wollen die denkmalgeschützte Mauer für die zukünftigen Generationen erhalten und fachmännisch erneuern lassen’, sagt Florian Heinen, Geschäftsführer der Friedhofskommission. Die Werterhaltung wäre mit dem Verfugen nicht möglich gewesen, so dass wir uns zu einer ‘großen Lösung in Gesprächen mit dem Landesamt für Denkmalpflege und der Stadt Lingen entschieden haben’, so Heinen. Die Mauer soll der in den 1990er -Jahren sanierten Außenmauer an der Weidenstraße und am Dortmund-Ems-Kanal optisch angeglichen werden, erhält eine Sandsteinabdeckung und gewährleistet eine längerfristige Instandhaltung. ‘Die schrägen Abdeckungen, sogenannte Bischofsmützen, sind Schwachstellen, Wasser dringt ein, der Frost lässt den Klinker platzen’, betont Christian Schulte, Leiter des städtischen Bauhofes.

Seit einigen Jahren verbindet eine schmiedeeiserne Pforte die beiden Friedhöfe, sodass die Mauer eher funktionale und weniger religiöse Gründe hat. ‘Den Besuchern ermöglicht die nicht abgeschlossene Tür, beide Friedhöfe zu besuchen. Die Mauer ist keine Trennungs-, sondern eine Verbindungsmauer’, betont Gernot Wilke-Ewert, Vorsitzender des Forums Juden-Christen.” Soweit zunächst Johannes Franke in seinem Bericht. Dazu ergänzt Heribert Lange, dass “das zusätzliche Tor zwischen ‘Altem’ und Jüdischem Friedhof auf ausdrücklichen Wunsch von Herrn Riethmüller vom  Landesverband der Jüdischen Gemeinden Niedersachsen geschaffen wurde – und zwar aus dem Material des gleichzeitig ersetzten Haupttors an der Straßenseite, und von dem Kunstschmied Krukowski, der das neue Haupttor geschaffen hat, kostenfrei dazu geliefert und angebracht. An beiden Toren gibt es links von ihnen an der Mauer eine Erklärung über den Friedhof, seine Geschichte und das vorgeschriebene Verhalten der Besucher von jüdischen Friedhöfen. Diese stammt von Josef Möddel und wurde aus Spenden finanziert – wie auch zuletzt die Restaurierung der einzelnen Grabsteine.”  Johannes Franke weiter:

“Die Sanierung mit den vorhandenen Klinkern bezeichnet Florian Heinen als ‘Kulturdenkmal für die Lingener Zeitgeschichte und Wertschätzung dieses würdigen Ortes.’ Die Sanierung der Klinkersteine und sogenannten Bischofsmützen führt das Natursteinwerk Monster aus Nordhorn durch. Gefördert wird das etwa 90 000 Euro kostende Projekt durch Förderungen der Stadt Lingen. Hinzu kommen Gelder vom Landesamt für Denkmalpflege, dem Landesverband der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen, von der Essmann-Stiftung, der Sparkasse sowie Mittel der Friedhofskommission. Für die gute Zusammenarbeit mit den städtischen Behörden sowie dem Kommissionsmitglied und Baubegleiter Werner Breitenbach dankten Heinen und Wilke-Ewert. Im Frühjahr 2021 soll die sanierte Mauer fertiggestellt sein.” s.auch:

https://www.noz.de/lokales/lingen/artikel/2175004/kulturgeschichte

Zu hoffen ist, dass Männer beim Betreten des jüdischen Friedhofs respektvoll eine Kopfbedeckung tragen  – wie hier Gernot Wilke-Ewert, fwp.

 

Gedenken an die Novemberpogrome 1- Ökumenischer Gottesdienst

11 Mittwoch Nov 2020

Posted by forumjc in Aktuelles, Allgemein

Die andauernde Corona – Pandemie erforderte eine besondere Form des Gedenkens an die Novemberpogrome 1938. Der katholische Pfarrer Dr. Antony Kallarakkal und die evangelisch-lutherische Pastorin Dr. Helen-Kathrin Treutler feierten 82 Jahre nach der Pogromnacht in der Lingener St. Bonifatius-Kirche gemeinsam mit etwa vierzig TeilnehmerInnen einen christlich-ökumenischen Gedenkgottesdienst. Schülerinnen des Gymnasiums Georgianum unter Leitung ihrer Lehrerin Judith Lühle erinnerten in beeindruckender Weise an die Ausgrenzung der Juden in Lingen. Die ausgewählten Zitate verdeutlichten, dass sich die Abiturientinnen akribisch mit den Schicksalen der von den Nazis verfolgten und ausgegrenzten Mitbürgerinnen und Mitbürgern auseinandergesetzt hatten.

Die durchaus politische Predigt hielt Pastorin Treutler, die zunächst die Dimension des Novemberpogroms in Erinnerung rief. An die Schülerinnen gerichtet: „ Sie, die SchülerInnen des Georgianums haben sich die Frage gestellt, warum? Warum müssen wir uns diese Zahlen heute wieder vor Augen führen? Warum sollen wir heute noch an etwas erinnern, warum diese Gedenkveranstaltung ?(…) Sie (…) haben Ihre Antworten gefunden, warum man es doch tun sollte. Ich bin ganz beeindruckt von dem, was Sie selbst vorbereitend verfasst und hier im Gottesdienst gesagt haben. Ihre Überlegungen sind so weitreichend und weitsichtig.“

Theologisch deutet die Predigerin dann drei Bibelstellen. Judentum und Christentums seien vergleichbar mit einem Apfelbaum, dem Birnenzweige eingepfropft seien. „Paulus selbst vergleicht die Christen mit eben diesen eingepfropften Ästen an dem Baumstamm des Judentums. Wir sind also in, so kann man es wohl sagen, in direkter Astnachbarschaft mit Menschen jüdischen Glaubens. Und Paulus schreibt noch einen Satz dazu in dem Brief an die Römer(…) ‚Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich.‘ (…)

Das, was den Christenzweig hält, sind seine Wurzeln im Judentum, es ist der Baumstamm des Judentums. Die jüdischen Traditionen, das Judentum an sich trägt uns. Denn: Jesus selbst war Jude. Paulus war Jude. Viele Jünger ebenfalls. Alle Vorankündigungen für die Geburt Jesu als Messias stehen in der Heiligen Schrift des Judentums. Ohne Erstes Testament, (…) der Thora, kein zweites, kein Neues Testament. Das Christentum gibt es nur durch das Judentum. Stirbt das jüdische Leben, so stirbt das christliche Leben.“

Im Predigttext wird weiter klar benannt, dass die Taten der Nazis und das Schweigen der Mehrheit nicht umkehrbar sind. „Aber was wir für Familie Hanauer, Familie Grünberg, Familien Cohen und die weiteren Lingener jüdischen Familien noch tun können ist: Das Unrecht klar beim Namen benennen, das ihnen geschah. (…) Ich möchte sie aber nicht als Opfer nur sehen. Denn für mich hat dieser ‚Opfer‘-Begriff ein Geschmäckle, wie man es im Süddeutschen sagen würde. Es heißt auch immer: Jemandem wird ein Stempel aufgedrückt. Aus diesem Grund heißt gedenken für mich: Familie Markreich, Familie Herz aus Lingen ein Stück weit ihre Menschenwürde hochhalten. Gedenken heißt, sie als Erinnerung am Leben halten. Dieses müssen wir wachhalten, mit Worten, und Taten. Denn wenn wir schweigen, dann lassen wir die Täter als Gewinner dastehen.

Gedenken heißt für mich versprechen: mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit aller Kraft gegen antijudaistische und antisemitische Hetze einzutreten.“

Helen Treutler findet, dass sich Jesus ganz in die Tradition der jüdischen Überlieferung begibt, wenn er zitiert „ ‚Du sollt den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft. ‚ (…). Und das zweite, das auch ein Gebot im Judentum ist: „Du sollt deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (…). Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst. Das heißt auch: Füreinander eintreten. Für einen anderen Menschen dieselben Grundrechte geltend machen, wie für einen selbst. Ihn zu verteidigen, wenn andere ihn beschimpfen. Wenn andere schlecht über sie reden, dagegenhalten. Kante zeigen, den Mund aufmachen, wenn andere anfangen, Personengruppen die Menschenwürde abzusprechen. Wenn FakeNews verbreitet werden, in die Tastatur oder auf dem Handy tippen. Wenn Aufkleber mit rechten Sprüchen an Laternenmasten kleben, sie mit den eigenen Fingernägeln abknibbeln, damit ihr Anblick nicht ‚normal‘ oder gewöhnlich wird. ‚Liebe Deinen Nächsten‘, Und: ‚Du sollst Gott von ganzem Herzen lieben‘ heißt für mich: Verteidige das Grundrecht anderer. Stelle Dich auch schützend vor sie, im wörtlichen und übertragenden Sinn: Tritt für sie ein: An der Schule, auf der Straße, in der Fußgängerzone, im Geschäft und im Bus.“

 

 

Gedenken an die Novemberpogrome 2 – Krone: Nie wieder

10 Dienstag Nov 2020

Posted by forumjc in Aktuelles, Allgemein

Im Anschluss an den ökumenischen Gottesdienst fand eine  Kranzniederlegung vor dem Gedenkort Jüdische Schule statt. Daran konnte nur ein kleiner Personenkreis teilnehmen. Sie erlebten eine würdige Feier mit einer sehr passenden musikalischen Begleitung durch den Klarinettisten Lulzim Bucaliu.                                                              Für das Forum hielt dessen Stellvertretender Vorsitzender Dr. Walter Höltermann eine Gedenkrede, der er ein Zitat von Rolf Winter voranstellte: ‚Vergangenheit, die ruht, kann sich wiederholen‘. Höltermann weiter: „Mit der heutigen Gedenkveranstaltung wird die Erinnerung an die Novemberpogrome des Jahres 1938 wachgehalten, damit sich das damit verbundene Grauen nicht erholt, ein solches Ereignis sich nicht wiederholt. Das was damals geschah, war in all seinem Terror jedoch noch nicht der Gipfel der Nazi-Barbarei. Es war, nach den Worten von Saul Friedländer, nur ein mattes Vorspiel dessen, was den Juden in Deutschland und im besetzten Europa widerfahren sollte. Die Novemberpogrome 1938 hinterließen geschändete und ausgebrannte Synagogen, vollständig verwüstete Geschäfte und zerstörte Wohnungen, schätzungsweise 400 Ermordete, zahllose vergewaltigte jüdische Frauen und etwa 30.000 in KZ`s verschleppte jüdische Männer. Das war das Werk eines aufgehetzten und teils auch alkoholisierten braunen Mobs, der planvoll „von der Leine gelassen wurde“. Höltermann verwies darauf, dass das Verbrechen von den Nazis lange geplant worden war, der Anlass willkürlich gewählt. „Dieser sogenannte Ausbruch des Volkszorns, diese rohen und tumben Gewalttätigkeiten der beteiligten Abordnungen von SA, SS und Hitlerjugend mit ihrem blanken Sadismus sowie perversen Einfällen, diese Orgien der Zerstörung und Erniedrigung war das Werk der jahrelangen Hetze und propagandistischen Verführung. Das Verführungspotenzial wird in seinem Ausmaß erst erkennbar, wenn bedacht wird, warum sich Bürger unterschiedlicher Herkunft und soziokultureller Prägung hatten mitreißen lassen. Es wurde planvoll eine Gewaltbereitschaft geschaffen, welche nur darauf wartete sich entladen zu können.“  Über die Bedeutung des Gedenkens: „Der heutige Gedenktag gibt erneut Gelegenheit, sich der Ereignisse im November 1938 zu vergewissern, damit diese nicht in Vergessenheit geraten. Dieses sind wir einerseits den Opfern schuldig, das gebietet der absolut notwendige Respekt vor deren unfassbarem Leid. Den Taten, die dazu führten und die durch Deutsche und in deutschem Namen begangen wurden, können wir nicht ausweichen, und sie unterliegen in ihrer Ungeheuerlichkeit auch keiner Verjährungsfrist.“   Die Kritik des Forums an einem geplanten Museum für den freiwillig und ohne Zwang der SS beigetretene “Hauptsturmführer” Rosemeyer verband Höltermann mit einem Vorschlag: „In diesem Kontext von Vergangenheit und deren Prägung für das gegenwärtige Tun drängt sich mir ein weiterer Aspekt auf. Es mag sein, dass es interessanter ist, ein Museum für einen berühmten Rennfahrer im Rang eines SS – Offiziers als für Freddy Markreich zu errichten. Freddy Markreich wurde im November 1938 zunächst sein Geschäft in der Großen Straße entwendet, dann erfolgte seine Verschleppung nach Buchenwald. Im April 1939 emigrierte er nach Liberia, wo er an einer Seuche verstarb. Es mag auch sein, dass ein Museum für eine bekannte Fliegerin glamouröser ist als für Henriette Flatow. Henriette Flatow wohnte im Bonifatius – Hospital und war dort als Küchengehilfin tätig. Im Juli 1942 wurde sie nach Theresienstadt deportiert, wo sie im Januar 1943 verstarb. Bei allem Respekt vor unterschiedlichen Auffassungen und Haltungen stellt sich mir doch die Frage: Cui bono? – Wozu soll es gut sein?“  Auf die Zukunft bezogen schloss Höltermann: „Das heutige Gedenken ist Teil einer Gedenkkultur, die eine notwendige Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ermöglicht und die Erinnerung daran wachhält. Sie hat die Funktion eines Katalysators, der Denkvorgänge und Verhaltensweisen fördern soll, die einem Rückfall in die Banalität des Grauens entgegenwirken. Dieses ist keine Gedenktagen vorbehaltene Fiktion, sondern der Aufruf jeder Form von übersteigertem Nationalismus, von Antisemitismus und Menschenverachtung im Alltag energisch entgegenzutreten.“                                                                                  

Oberbürgermeister Dieter Krone und der Vorsitzende des Forums Juden-Christen, Gernot Wilke-Ewert, legten einen Kranz am Gedenkstein für die Lingener Synagoge nieder.

Eine weitere beeindruckende Rede zum Gedenken an den ersten offenen Gewaltausbruch der Nazis gegen Juden hielt Lingens Oberbürgermeister Dieter Krone. Er erinnerte: „Am 9. und 10. November 1938 brannten in ganz Deutschland die Synagogen. Das Novemberpogrom war ein allen sichtbares Fanal: Niemand konnte mehr daran zweifeln, dass es den Nazis mit ihrer antisemitischen Hetze blutiger Ernst war. Das Novemberpogrom markierte den Beginn eines Zivilisationsbruchs, der im unfassbaren Grauen des Holocaust endete.“ Krone machte deutlich, dass Deutschland eine besondere Verantwortung für jüdische MitbürgerInnen trage: „Dass Jüdinnen und Juden in das Land der Täter zurückkehrten oder einwanderten, ist ein Vertrauensbeweis. Er basiert darauf, dass Deutschland sich nach 1945 geändert, dass es sich seiner Vergangenheit gestellt und es geschafft hat, eine Demokratie aufzubauen, einen freiheitlichen Rechtsstaat, der die Würde des Menschen, die Würde eines jeden Menschen ungeachtet seiner Herkunft oder Religionszugehörigkeit zum Grundprinzip erhebt. Doch dass es bei uns wieder jüdisches Leben gibt, ist auch ein Vertrauensvorschuss. Denn der Antisemitismus ist nicht mit dem Dritten Reich untergegangen.“      

Blumen an Stolpersteinen: Hier die Erinnerungen an die Familie Grünberg. Foto: Heribert Lange 

In Erinnerung an den  kürzlichen Besuch von Felix Klein in Lingen führte Krone aus : „Erst vor wenigen Tagen hat der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Dr. Felix Klein, das Forum Juden-Christen besucht. Während eines Interviews führte er aus, dass Antisemitismus in unserer Kultur so eingeübt sei, dass dieser in unserer Gesellschaft zum Ventil für Unzufriedenheit werde. Wie im Mittelalter die Juden für den Ausbruch der Pest verantwortlich gemacht wurden, so haben heute angeblich israelische Forscher das Corona – Virus in die Welt gesetzt, damit israelische Firmen der Welt ihren Impfstoff verkaufen können.Hannah Arendt, deren Büste hier zu sehen ist, sagte bereits 1941 bitter – ironisch: ‚Vor Antisemitismus aber ist man nur noch auf dem Monde sicher.‘ Antisemitismus ist mitnichten überwunden – bei uns in Deutschland nicht und bei vielen unserer europäischen Nachbarn nicht. Gedenken lenkt den Blick nicht nur in die Vergangenheit; Gedenken ist genauso auf Gegenwart und Zukunft gerichtet. Gedenken will das Vergangene wieder sicht- und greifbar machen – und es will den Verpflichtungen nachspüren, die sich aus der Geschichte für das Heute ergeben. ‚Nie wieder‘ – so hieß es nach 1945, als den Menschen das ganze Ausmaß des Grauens der Schoa bewusst wurde. Doch wie vermitteln wir dieses ‚Nie-Wieder‘ im Jahr 2020?”                          

 Blumen an Stolpersteinen: Hier die Erinnerungen an die Familie Hanauer. Foto: Walter Höltermann

Der Oberbürgermeister wandte  sich damit an die anwesenden Mitglieder des Forums:  “Sie, liebe Mitglieder des Forums Juden-Christen, leisten hier herausragende Arbeit. Ich danke Ihnen allen dafür, dass Sie Begegnungen, Wiederbegegnungen, Dialog und Austausch zwischen Juden und Christen immer wieder möglich machen. Nur wer die Vergangenheit kennt, kann sie nach Erkenntnissen befragen, die für die Gegenwart nutzbar sind. Nur wer die Vergangenheit kennt, erkennt, wie schnell Vorurteile in Verfolgung umschlagen können und wie gefährdet Freiheit, Demokratie und die Wahrung der Menschenrechte immer und überall sind. ‚Demokratie gibt es nicht zum Nulltarif‘, hat Max Mannheimer einmal gesagt. Die designierte Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten, Kamala Harris, zitierte bei ihrer Siegesrede an diesem Wochenende den mittlerweile verstorbenen Kongressabgeordneten John Lewis mit den Worten: ‚Demokratie ist kein Zustand. Sie ist ein Akt. – Was er meinte, war, dass es für Demokratie keine Garantie gibt. Sie ist nur so stark wie unsere Bereitschaft, für sie zu kämpfen, sie zu schützen und sie niemals für selbstverständlich zu halten.‘ Wenn wir heute an das Novemberpogrom erinnern, dann bekunden wir unsere Trauer und unsere Scham über das Entsetzliche, das damals geschah. Aber wir bekunden auch unseren Willen für die Werte von Menschenrechten, für die Freiheit und die Demokratie einzutreten.“

Das Forum Juden-Christen ruft dazu auf, im November weiterhin Blumen an Stolpersteinen niederzulegen. Walter Höltermann: “Das Grauen war mit dem 9.und 10. 11. 1938 nicht vorbei, es ging weiter.”

Die Standorte der Lingener Stolpersteine lassen sich finden unter

http://www.lingen.de/pdf_files/allgemein/wegweiser-zu-den-stolpersteinen_2615_1.pdf

 

 

      

Antisemitismusbeauftragter Klein in der Jüdischen Schule – Lob für Erinnerungsarbeit des Forum Juden-Christen

30 Freitag Okt 2020

Posted by forumjc in Aktuelles, Allgemein

Dr. Felix Klein, mit voller Amtsbezeichnung „Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus“ besuchte auf Anregung von Albert Stegemann MdB – CDU das Forum Juden-Christen.  Klein stellte seine Arbeit vor und informierte sich in Anwesenheit von Lingens Oberbürgermeister Dieter Krone über die Arbeit des Forums.

Der stellvertretende Vorsitzende des Forums, Dr. Walter Höltermann, begrüßte die Gäste mit einem Überblick über die Geschichte des Gedenkortes Jüdische Schule. Als die nahegelegene Synagoge von den Nazis niedergebrannt wurde, blieb das Schulgebäude aus „Brandschutzgründen“ in der Reichspogromnacht am 10. November 1938 verschont. Bevor die Stadt Lingen das Gebäude kaufte, diente es als Pferdestall und Lagerraum. „Heute ist die Jüdische Schule neben dem Jüdischen Friedhof ein wichtiger Ort des Gedenkens an die Ermordung und Vertreibung der jüdischen Mitbürger Lingens“, so Höltermann.

Dr. Felix Klein unter Corona-Bedingungen in der Jüdischen Schule. Dr. Walter Hölltermann und Simon Göhler vom Vorstand freuen sich über das Lob für das Forum.

Vorstandsmitglied Simon Göhler, der für das Forum die Organisation des Besuches verantwortete, berichtete, wie er zum Forum gekommen sei. Als Schüler am Franziskus-Gymnasium hatte er im Rahmen einer Facharbeit ein von Anne Scherger verfasstes Buch über den jüdischen Friedhof illustriert. Seither engagiere er sich für die Erinnerungsarbeit. Göhler berichtete zudem von den „Stolpersteinen“, die im Stadtgebiet an die Opfer des Naziterrors erinnern.

Angela Prenger von der Arbeitsgemeinschaft Erinnerungskultur des Forums berichtete über das Schicksal der Lingener Ehrenbürger Ruth Foster und Bernhard Grünberg. Ruth Foster, als Ruth Heilbronn in Lingen geboren, wurde in das KZ Stutthoff verschleppt. Ihre Eltern wurden ermordet, sie überlebte. Foster forderte 1984 ein Mahnmal für die Lingener Opfer der Verfolgung. Durch ihr Engagement kam auch der Kontakt mit dem Überlebenden Bernhard Grünberg zustande. Grünberg konnte 1938 mit einem „Kindertransport“ nach England entkommen. Seine Eltern und seine Schwester wurden ermordet. Prenger verwies auf das KZ-Kleid, das Ruth Foster dem Forum überließ und das in der Jüdischen Schule zu besichtigen ist.

Ebenfalls für die AG Erinnerungskultur stellte Agnes Kläsener, Referentin im Ludwig-Windhorst-Haus, Projekte zur Jugendbildung vor. Mit Fahrten nach Auschwitz und Stutthoff sollen junge Menschen auf die Folgen rassistischer Hetze aufmerksam werden.

Felix Klein hob die Bedeutung von Erinnerungskultur hervor. Bürgerliches Engagement wie das des Forums sei unverzichtbar, um dem Vergessen des Naziterrors entgegenzuwirken. An OB Krone gerichtet meinte Klein, es sei sehr erfreulich, dass die Stadt Lingen das Forum in so hervorragender Weise unterstütze.

Klein berichte darüber, dass der Zentralrat der Juden nicht mit AfD- Politikern spreche. In den Staat Israel würden sie nicht offiziell eingeladen.

Klein freute sich darüber, dass eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen ihm und den Antisemitismusbeauftragten der Bundesländer bestehe. Auch die Zusammenarbeit mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland sei im Kampf gegen den Hass auf jüdische Menschen sehr wichtig.

Klein, Stegemann und Krone waren sich einig, dass der Rückgang der Zeitungslektüre in jüngeren Jahrgängen die Gefahr berge, dass Falschnachrichten verbreitet würden. Krone berichtete von Erfahrungen mit jungen Menschen, die ungeprüfte Nachrichten ohne Quellenangabe per Smartphone-App konsumierten. Die Arbeit von Zeitungsredakteuren sei gerade im Bereich der politischen Bildung und der Diskussionsfähigkeit gesellschaftlicher Gruppe unverzichtbar.

Höltermann und Stegemann bedauerten, dass der Wille zum Kompromiss in Gesellschaft und Politik abnehme. Höltermann: „Vielfach werden Argumente der Gegenseite nicht mehr zur Kenntnis genommen.“

Für Stegemann ist das Forum Juden-Christen ein „Leuchtturm“ der Erinnerungsarbeit. Er hob die Bedeutung der Schule für die Immunisierung von Kindern und Jugendlichen gegen „falsche Propheten“ hervor. Er sei durch das Tagebuch der Anne Frank im Unterricht über die Naziverbrechen aufgeklärt worden.

Klare Worte fand der CDU- Politiker auf Grund seiner parlamentarischen Erfahrungen für die AfD. „Wer hört, was sie untereinander reden, kann das Gedankengut der Nationalsozialisten mit Händen greifen .“

Zum Schluss des Meinungsaustausches trug sich Klein in das Besucherbuch des Forums ein.

Freundlicher Eintrag von Herrn Dr. Klein in das Besucherbuch des Forums

Siehe auch den Bericht in der Lingener Tagespost (PM/CvB)

https://www.noz.de/lokales/lingen/artikel/2171564/felix-klein-besucht-forum-juden-christen-in-lingen

Katholische Frauen besuchen Jüdischen Friedhof

23 Freitag Okt 2020

Posted by forumjc in Aktuelles, Allgemein

Für die Offene Frauengruppe (OFG) der katholischen Christ-König Kirchengemeinde aus dem Lingener Ortsteil Darme konnte das Forum-Juden-Christen eine weitere Führung am 6. Oktober in diesem Jahr anbieten. Simon Göhler  und Georg Wichmann  vom  Forum (im Bild rechts, Wichmann mit offenem, Göhler mit geschlossenem Schirm) zeigten den interessierten 16 Frauen die Geschichte des Lingener Jüdischen Friedhofs mit seinen 73 Grab- und Gedenksteinen. Dabei zeigte Simon Göhler anhand der hebräischen Sprache die Wortlaute auf den Grabsteinen und deren Bedeutung im Judentum.

Trotz besonderer Herausforderung durch das herbstliche Wetter erfuhren die Frauen viel Wissenswertes über die Geschichten der Grabsteine, so u.a. über die Familie Philipp Frank und Familie Amalie Halperin.

Schließlich gab es auch Informationen über die jüdischen Trauerbräuche und so konnten die Anwesenden auch Vergleiche mit den christlichen Traditionen ziehen. Anneliese Müter und Renate Slaghuis bedankten sich bei den Vertretern des Forums für Ihren Vortrag und die vielen interessante Eindrücke, die die OFG gewinnen konnte.

Dass der Vortrag den Teilnehmerinnen gefallen hatte zeigte sich auch daran, dass dem Forum Juden-Christen eine Spende in Höhe von 50 Euro zukam.

Erinnerung an Familie Grünberg

07 Mittwoch Okt 2020

Posted by forumjc in Aktuelles, Allgemein

Der ökumenische Arbeitskreis Kirche und Schule – Religionslehrerinnen und Religionslehrer aus Lingen-  ließen sich bei einem Besuch des jüdischen Friedhofs in Lingen über den Gedenkstein für Bendix, Marianne und Gerda Grünberg informieren.  Eltern und Schwester von Bernhard Grünberg wurden in der Schoa von den Nazis und ihren Helfern ermordet. Darüber informierten Gernot Wilke-Ewert und Angela Prenger vom Forum Juden-Christen die Gruppe, die sich auch im strömenden Regen sehr interessiert zeigte.

Große Resonanz bei Friedhofsführung – Polizeischutz war erforderlich

26 Samstag Sep 2020

Posted by forumjc in Aktuelles

Alljährlich in der Woche zwischen den höchsten jüdischen Festen Rosch Haschanah (Neujahrsfest), in diesem Jahr vom 18. bis 20. September und Jom Kippur (Sühnefest 27/28. September), an dem gläubige Juden ebenfalls die Gräber ihrer Toten besuchen, bietet das Forum Juden-Christen einen Erinnerungsbesuch auf dem Jüdischen Friedhofs in Lingen an. Mehr als zwanzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer folgten beim diesjährigen Angebot am 23. 9. den Ausführungen von Dr. Heribert Lange. Am Grabstein von Jacob Wolff, des letzten Vorstehers der Synagogengemeinde Lingen, informierte Lange über den Friedhof, jüdische Begräbnisriten und das Schicksal der Lingener Juden. Jacob Wolff, seit einem KZ-Aufenthalt gesundheitlich geschädigt, starb am 4. April 1941. Er wurde heimlich nachts auf dem Jüdischen Friedhof begraben.

An den Grabsteinen der Familie Markreich erinnerte Lange an den Naziterror, denen auch die Familie Markreich zum Opfer fiel. Ihr erfolgreiches Textilgeschäft wurde in der Pogromnacht 1938 zerstört und geplündert. Fredy Markreich, der mit hohen Auszeichnungen am 1. Weltkrieg teilgenommen hatte, wurde in das KZ Buchenwald verschleppt. Er starb 1944 im Exil.

Erstmals fand die Veranstaltung wegen eines kürzlich angezeigten antisemitischen Zwischenfalls unter Polizeischutz statt. (s. http://www.forum-juden-christen.de/antisemitische-beleidigungen-am-juedischen-friedhof-in-lingen/ )

 

 

Ulrike Offenberg: Judentum in Deutschland – Lehrhausgespräch im LWH

17 Donnerstag Sep 2020

Posted by forumjc in Aktuelles, Allgemein

Zur Eröffnung der „Lehrhausgespräche“ begrüßte Dr. Heribert Lange, im Forum für Veranstaltungen zuständig, Dr. Ulrike Offenburg. Seit der Ordination durch das Hebrew Union College in Jerusalem arbeitet die promovierte Historikerin als Rabbinerin der liberalen Synagogengemeinde Hameln-Bad Pyrmont.

Rabbinerin Offenberg verdeutlicht die Vielfalt der jüdischen Gemeinde Hameln. Foto: Agnes Kläsener, LWH

Im freien Vortrag stellte Offenberg die Lage des Judentums in den Jahren nach 1945 dar. Rund sechs Millionen europäische Juden waren von den Na­zis und ihren Helfern ermordet worden. Überlebende des Holocaust waren oft traumatisiert und orientierungslos. Wer Verfolgung oder Konzentrationslager erlebt hatte, befand sich oft fern der Heimat. Aus Deutschland geflohene Ju­den harrten im Exil aus. Zurück nach Deutschland? Für viele Juden war das völlig unvorstellbar – im Land selbst, aber oft auch innerhalb der jüdischen Gemeinschaft weltweit. Dennoch wagte eine ganze Reihe von Juden diesen Schritt.

Hinzu kamen jüdische Menschen, die wegen der NS-Verfolgung ins Ausland geflohen und dann wieder zurück nach Deutschland gegangen waren. Dazu noch die „Displaced Persons“, rund 200.000 Juden aus Osteuropa, die nicht mehr in ihre alte Heimat zurückkehren konnten oder wollten, und deren Zahl noch anstieg. Viele der „Displaced Persons“ wanderten nach Israel oder in die USA aus. Die wenigen verbliebenen Juden gründeten Synagogengemein­den.

Offenberg: „ Um 1990 waren die Synagogengemeinden überaltert, es gab noch etwa 20.000 Juden in Deutschland.“ Dann sei das Wunder geschehen. Durch den Zusammenbruch des Ostblocks kamen viele jüdische Menschen nach Deutschland, zunächst in die DDR. Die letzte und einzige demokratisch gewählte DDR- Regierung hatte die uneingeschränkte Aufnahme von Juden zugesagt. Damit seien die Gemeinden aufgeblüht und neue gegründet wor­den, auch die in Hameln. In der von Agnes Kläsener geleiteten Diskussion mit etwa sechzig Zuhören in der Aula des LWH ging es um Antisemitismus, liberale und orthodoxe Ge­meinden und die Zukunftsaussichten des Judentums. Dazu wünschte sich Offenberg mehr Aktive aus der jüngeren und mittleren Generation. Engagiert sprach sich die Rabbinerin für den interreligiösen Dialog aus.

 

Antisemitische Beleidigungen am Jüdischen Friedhof in Lingen

16 Mittwoch Sep 2020

Posted by forumjc in Aktuelles, Allgemein

Dr. Heribert Lange, Ehrenvorsitzender des Forum Juden-Christen Altkreis Lingen e.V., musste bei einer Führung auf dem Jüdischen Friedhof Lingen eine äußerst unangenehme Erfahrung machen. Dazu folgt die Pressemitteilung der Polizei.

“Am Freitagnachmittag kam es am Jüdischen Friedhof an der Weidestraße zu einem Vorfall, der nun Ermittlungen der Polizei nach sich zieht. Gegen 16:30 Uhr befand sich eine Gruppe junger Menschen auf dem Friedhof, die dort an einer geleiteten Führung teilnahmen. An der Weidestraße fuhren zu diesem Zeitpunkt drei Radfahrer in Richtung Langschmidtsweg / Emsauenpark. Einer der Radfahrer rief bei Erblicken der Gruppe auf dem Friedhof mehrfach antisemitische Parolen, die den Straftatbestand der Beleidigung und der Volksverhetzung erfüllen. Der Radfahrer wird als ca. 25-30 Jahre alt beschrieben. Er war dunkel gekleidet, von sportlicher Statur und hatte schwarze Haare und einen gepflegten dunklen Bart. Die zwei weiteren Radfahrer, die offensichtlich dazu gehörten, waren etwas jünger und deutlich schlanker. Sie hatten hellere Haare und waren – im Gegensatz zum Wortführer – nicht dunkel gekleidet. Die drei Radfahrer entfernten sich unerkannt. Zeugen, die Hinweise zu den Radfahrern geben können, werden gebeten sich unter der Telefonnummer 0591-87344 mit der Polizei Lingen in Verbindung zu setzen.”

Forum Juden-Christen: Neuer Vorstand nimmt Arbeit auf

11 Freitag Sep 2020

Posted by forumjc in Aktuelles, Allgemein

Zur ersten Sitzung traf der neu gewählte Vorstand des Forum Juden- Christen Altkreis Lingen im Gedenkort Jüdische Schule zusammen. Im Anschluss an einen Rückblick über die Arbeit der letzten Jahren wurden unter Leitung des neuen Vorsitzenden Gernot Wilke-Ewert Aufgabenbereiche besprochen. Wilke-Ewert bedankte sich bei seinem Vorgänger und jetzigem Ehrenvorsitzenden, Dr. Heribert Lange, für dessen aktuelles Veranstaltungsprogramm. Lange wird die „Lehrhausgespräche“ und andere Angebote auch zukünftig koordinieren. (s. Veranstaltungen)

v.l.n.r.: Simon Göhler, Godehard Ritz, Mechthild Pölking-Oeßelmann, Gernot Wilke-Ewert, Friedhelm Wolski-Prenger, Walter Höltermann, Georg Wichmann; nicht im Bild Bernhardine van Olfen und Michael Fuest.

 

 

← Ältere Beiträge
Neuere Beiträge →
MENÜMENÜ
  • Wer und was wir sind
    • Satzung
    • Beitrittserklärung
  • Veranstaltungen
  • Erinnerungen
    • Menschen
    • Orte
    • Lokale Literatur
  • Aktuelles
  • Archiv
    • 2005 - 2015
    • 2004
    • 2003
    • 2002
    • 2001
    • 1996 - 2000
  • Bildergalerie
  • Links
  • Kontakt
  • Impressum
  • Datenschutzerklärung