Forum Judentum Christentum

2019

Eva Essmann gestorben – Forum Juden-Christen trauert um eine gute Freundin

22 Montag Nov 2021

Posted by forumjc in 2019, Allgemein

Am 7. November 2021, dem Tag der Vorstellung der Biografie von Bernhard Grünberg, starb Eva Essmann. Ohne sie wäre das Buch in der vorliegenden Form nicht entstanden, die emsländischen weiterführenden Schulen hätten keinen Klassensatz des Geschichtsbuches vom Forum Juden-Christen erhalten.

In der Lingener Tagespost erschien der folgenden Nachruf von Thomas Pertz:

„Eva Essmann und die Stadt Lingen – das war eine Herzens- angelegenheit. Nach langer, geduldig ertragener Krankheit, ist die Förderin zahlreicher kultureller und sozialer Projekte im Alter von 76 Jahren gestorben. Mit ihr verliert die Stadt eine außergewöhnliche Persönlichkeit: Eine feingliedrige Frau mit dem Sinn für das Schöne und die Liebe zum Detail, aber auch mit einem empathischen Blick dafür, wo in der Stadtgesellschaft Hilfe und Unterstützung notwendig ist.

Die Frau des 2017 verstorbenen Lingener Unternehmers Heinrich Essmann, die in Mönchengladbach aufwuchs, kam aus einem begüterten Haus. Erst auf der Wilhelmshöhe bei „Mutter Essmann“, wie sie ihre Schwiegermutter zu nennen pflegte, lernte sie das Kochen. Der Wilhelmshöhe, Elternhaus ihres Mannes, war Eva Essmann ihr Leben lang verbunden. Die Sanierung des altehrwürdigen Gebäudes wäre ohne sie undenkbar und die Bürger der Stadt um ein mit unzähligen Erinnerungen gefülltes Haus ärmer gewesen.

Neben diesem großen Projekt waren es aber vor allem die vielen kleineren Institutionen, Einrichtungen und Initiativen, die Eva Essmann in Lingen über eine 2012 ins Leben gerufene Stiftung oder auch persönlich unterstützte: Ob es das Marionettentheater war oder die Sanierung des Centralkinos, den SKF oder die Lingener Tafel und Buchprojekte wie zuletzt die Biografie über den jüdischen Ehrenbürger Bernhard Grünberg.

http://www.forum-juden-christen.de/wie-bernhard-gruenberg-als-junge-hitler-ueberlebte-neue-biografie-erschienen/

Im Juli dieses Jahres wurde sie mit dem Verdienstkreuz am Bande des Niedersächsischen Verdienstordens geehrt. Lingens Oberbürgermeister Dieter Krone überreichte ihr die Auszeichnung im Namen von Ministerpräsident Stephan Weil. „Ihr umfangreiches und vielfältiges Engagement für kulturelle, sportliche, soziale und andere Belange in unserer Stadt sowie in der näheren Umgebung ist außergewöhnlich, wirkt nachhaltig und sucht seinesgleichen“, würdigte Krone das Engagement Eva Essmanns.

Dabei half und wirkte sie nie von oben herab: An die Essmann-Fahrer im Unternehmen verteilte die Lingenerin selbst gebackene Stutenkerle und nach einem Festessen gab sie stets selbst in der Küche eine Runde aus für das Servicepersonal.

Das Vermögen der Familie verstellte ihr nicht den Blick für das Notwendige und die Wertschätzung anderer. Den Menschen zugewandt, das war Eva Essmann ihr Leben lang.”

https://www.noz.de/lokales/lingen/artikel/2483950/lingen-verliert-eine-grosse-foerderin-eva-essmann-ist-gestorben

Das Forum Juden-Christen dankt Eva Essmann für die großzügige Unterstützung bei der Gestaltung des Vorplatzes der Jüdischen Schule und der andauernden Pflege des Geländes sowie ihres Engagements auf dem Jüdischen Friedhof, nicht zuletzt bei der Gestaltung des Grabes von Bernhard Grünberg. Das Forum Juden- Christen Altkreis Lingen e.V. wird die Person und das Engagement von Eva Essmann für die Erinnerungskultur in Ehren halten.

Marienschule Lingen: Ausstellung zum Rechtsextremismus

05 Mittwoch Jun 2019

Posted by forumjc in 2019, Archiv

An der Marienschule Lingen wurde am 3. 6. 2019 eine Ausstellung der Friedrich-Ebert-Stiftung zu den Erscheinungsformen des Rechtextremismus eröffnet.

Zu den geladenen Rednern zählte auch der Vorsitzende des Forums Juden-Christen, Dr. Heribert Lange. Hier seine Ansprache:

„Demokratie stärken –Rechtsextremismus bekämpfen“

Liebe Lehrerinnen und Lehrer der Marienschule, liebe Schülerinnen und Schüler!

Es ist nicht ganz einfach, zu erklären, was Rechtsextremismus wirklich ist. Leichter ist es, zu erklären, was Rechtsextremismus bedeutet: Es handelt sich nämlich um eine politische Bewegung, die das Gleichheitsprinzip und ebenfalls das Prinzip der Gerechtigkeit und am Ende auch das Freiheitsrecht und die Garantie dieser Prinzipien für wirklich jeden Bürger eines Staats leugnet, mindestens aber in Frage stellt – in die Frage nämlich des Befindens und des Beliebens derer, die das Sagen haben oder danach streben, eines Tages selbst diejenigen zu sein, die das Sagen zu haben

Wir, Sie alle hier, Ihr Jugendlichen und natürlich auch ich verstehen das nicht und akzeptieren das auch nicht. Denn wir gehen davon aus, dass jeder Mensch, egal, ob weiß oder schwarz, alt oder jung, Mann oder Frau, schwul, lesbisch oder das Gegenteil davon, behindert oder nicht behindert, christlichen, islamischen, jüdischen oder gar keines Glaubens, ob in Arbeit oder ohne Arbeit, usw. ….dass alle diese Menschen das gleiche Recht auf Leben, auf Schutz ihres Lebens und auf Achtung ihrer Würde haben, die Menschenwürde also, die bereits im allerersten Satz unseres Grundgesetzes vorkommt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“.

Christen und Juden nehmen die Begründung dieses Satzes aus der Bibel: „Und ER formte den Menschen nach seinem Bild und Gleichnis.“ Andere Religionen leiten den Menschenwürdebegriff ebenfalls aus ihren heiligen Schriften her, und nichtreligiöse Menschen, z.B. Wissenschaftler, die über das Zusammenleben der Menschen und ihr Auskommen miteinander nachdenken, also Staatsrechtler und politische Philosophen, bezeichnen die Menschenwürde als einen dem Wesen des Menschen, seinem Geist und seiner Seele innewohnenden und nur dem Menschengeschlecht eigenen, unhintergehbaren Wert, der mit der Unverfügbarkeit, d.h. der Unantastbarkeit seines Lebens verbunden ist.

Dies alles aber ist für Rechtsextremisten eher nur ein Schmarren oder gar großer Quatsch, mindestens aber zweifelhaft, weil sie, die Rechtsextremisten, die Vorstellung haben, dass die übrigen Menschen, insbesondere dann, wenn sie, die Rechtsextremisten erst einmal die Macht über den Staat und damit über uns alle haben, so wie das vor 80 und 90 Jahren die Nazis unter Adolf Hitler getan haben, … dass sie, die selbsternannten Staatenlenker, zusammen mit der Macht, auch das Recht haben, selbst darüber zu entscheiden, wer ebenbürtig, wer gleichberechtigt und wer achtungswürdig ist. Nicht die Menschenwürde ist dann mehr das Recht aller, sondern das Recht, das sie sich zuschreiben, um zu bestimmen, was für sie, aber eben nur für sie ebenbürtig, gleichberechtigt und achtungswürdig bedeutet. Und noch mehr: Auch das Recht haben sie sich, zumindest unter Hitler und in anderen diktatorischen Systemen, zugerechnet, über Leben und Tod dieser so klassifizierten Menschen zu bestimmen. Bei den Nazis waren die Opfer dieser Willkürordnung nicht nur die Juden und die zahllosen Kriegsgefangenen, deren sie im Verlauf des zweiten Weltkriegs habhaft wurden, sondern auch Menschen mit anderen politischen, etwa dem Menschenwürdeprinzip verpflichteten Vorstellungen, es waren behinderte und schwerkranke Menschen, es waren Schwule und Lesben und Sinti und Roma, aber auch Straffällige. Sie alle galten den Nazis als Ungeziefer der menschlichen Gesellschaft, als Parasiten und als Ballastexistenzen, also einer Last, der man sich, wenn man zum Freiflug startet, am besten entledigen sollte.

Was hat das, so mag man nun fragen, mit HEUTE zu tun? Hitler ist doch vorbei und der Holocaust, also die Ermordung von mehr als 6 Millionen Juden, davon mehr als 1 Million Kinder, ist auch vorbei.

Ich sage es Euch: Wer heute sagt „Die Ausländer, die Flüchtlinge, die Hartz-IV- Empfänger, die Politiker, die Juden, die Muslime, die Kirche, die Lehrer …usw., der steht bereits im Begriff, Menschen und einzelne Menschengruppen nach seinem eigenen Gutdünken zu sortieren, sie in Gut und Schlecht, Nützlich oder Unnütz, Rechtschaffen oder Verschlagen einzuteilen und sie, das ist der nächste Schritt, ganz und gar auszugrenzen – auszugrenzen aus der ach so viel besseren Gesellschaft ihrer Facon. Dabei ist es völlig egal, ob solcher Ausgrenzung Ge-ringschätzung, Verachtung, Angst, etwa vor dem Fremden, oder Neid zugrunde liegen. Es ist die Denke der Nazis, die Denke der Menschenverachtung, der Geringschätzung und der Ausgrenzung der jeweils anderen. Aufgeblasen von sinnloser und widerlicher Angstmache, wird daraus eine wirkungsvoll inszenierte Hetzkampagne, die, so wie von Frauke Petry schon vor Jahren propagiert und erwünscht, in eine Hasswelle gegen die so Ausgegrenzten mündet. Beschimpfungen wie „Du Jude“, „Judensau“ oder „Du Behinderter“ oder „Du Blödmann“ bedeuten für mich, dass der, der sie benutzt, bereits in die menschenverachtende Falle der Nazis getappt ist, auch der Nazis von heute.

Was wir, die Alten, damals daraus gelernt haben, ist, dass alle, wirklich alle Menschen, denselben Anspruch auf Achtung ihrer Würde, ihrer Menschenwürde, haben und allemal ihres Lebensrechts. Und: Wir haben erfahren, dass uns im Alltag der Gedanke an einen sehr eingängigen und auch nahegehenden Satz nie im Stich gelassen, sondern recht verlässlich weitergeholfen hat. Er lautet: “Was Du nicht willst, das man Dir tu‘, das füg auch keinem ander’n zu“, und man nennt diesen Jahrtausende alten Satz, den es in allen menschlichen Kulturen auf die eine oder andere Weise gibt, die Goldene Regel.

Zweifellos ist darum die Menschenjagd, die sich jugendliche Rechtsextremisten in Chemnitz im vergangenen Sommer gegen andere Jugendliche geleistet haben, nur weil sie anderer Herkunft und anderer Hautfarbe, obwohl sogar im Besitz eines deutschen Passes waren, eine ungeheuerliche Untat und natürlich auch ein erschreckender und schwerer Verstoß gegen diese Regel und genauso gegen die Menschenwürde, von der soeben auch die Rede war, Denn sie, die Menschenwürde und ihre Achtung, sind, so denke ich, der Kitt und die wichtigste Spielregel unserer Gesellschaft – für alle Menschen in einem Staatswesen wie Deutschland.

Wir, die Alten, sind über solche Vorgänge ganz besonders entsetzt, weil einem sogleich einfällt, dass es damals doch genauso angefangen hat, als Hitler an die Macht gekommen war – übrigens nicht durch einen Staatsstreich, sondern mit den Stimmen der Mehrheit der Wählerinnen und Wähler. Denn das Morden in den KZs und die Massenerschießungen missliebiger Menschen, vor allem der Juden hinter der Kriegsfront, waren ja nicht der Anfang der mörderischen Nazi-Herrschaft. Lange davor schon galt das Willkürprinzip seiner Schlägertrupps aus SS und SA gegen Menschen, die ihnen missliebig erschienen, eine andere Meinung oder Weltanschauung hatten, ihnen aus anderen abwegigen Gründen einfach nicht passten, von ihnen verachtet oder gering geschätzt wurden, gegen also diese Menschen nach eigenem Belieben und nach Lust und Laune vorzu-gehen. Willkür und Unverstand, die damit einhergingen, waren zum Gesetz der Straße geworden, zum Handlungsprinzip der Herrenmenschen von Hitlers Gnaden

Wer kann uns, den Älteren in diesem Land, da verdenken, dass unser Schrecken und unsere Sorge über solche Nachrichten groß ist, und die Angst vor der Wiederkehr dieser „alten Zeiten“ ebenfalls? Und ebenso aufgeregt und besorgt sind wir darum natürlich auch, wenn wir hören, zu verstehen und uns vorzustellen versuchen, was sich die Rechten im politischen Spektrum, die Extremen und die Populisten als Lösung politischer und gesellschaftlicher Probleme vorstellen. Ihre Rezepte sind Ausgrenzung, Aussperrung und/oder Entsorgung, d.h. Ertrinkenlassen im Mittelmeer oder der finale Schuss bei der Grenzüberwindung – Menschenwürde hin oder her. Da zählen allein noch und nur die Ellenbogen, mit denen die eigenen Interessen vertreten und durchgesetzt werden.

Und das ist dann auch, diese Antwort bin ich noch schuldig geblieben, was Nazis, Neonazis und Rechtsextreme denken und wollen. Es ist die reine Lehre des Faschismus. Sie lautet so wie das Wort, das mit „Menschen“ beginnt und mit „Verachtung“ endet, und im Leben und im Alltag dieses bedeutet: Wir, die Herrenmenschen, sind zuerst dran!

Dazu sage ich Nein. Wir alle müssen dazu Nein sagen. Aber auch das müssen wir sagen und uns vornehmen: Wehret den Anfängen solcher Gesinnung und ihrer Taten, und: Leisten wir Widerstand – wir alle! Euch, die jungen, einsichtigen und besonnenen Menschen in unserem Land brauchen wir dazu, Euch alle!

Denn Ihr seid heute die Jugend und morgen die Zukunft der Gesellschaft, einer Gesellschaft in Deutschland, die wehrhaft und entschlossen und vor allem mit den besseren Argumenten den Schreihälsen, den Rattenfängern und den Brun-nenvergiftern aus den Reihen der unbelehrbaren faschistoiden Rechtenbewe-gung – gleich welchen Namens – entgegentreten kann und entgegentreten muss.-

Der Friedrich-Ebert-Stiftung sei Dank für die Idee, das Thema Rechtsextremismus, mit dem Rassismus und Antisemitismus auch heute ununterscheidbar und unzertrennlich verbunden sind, zum Gegenstand dieser vorzüglichen Ausstellung gemacht zu haben. Der Marienschule sage ich persönlich, vor allem aber im Namen das Forums Juden-Christen im Altkreis Lingen, Dank für ihre Solidarität und ihr Mittun im aktiven Widerstand gegen die neue, aber eigentlich altbekannte Volksseuche, und der, wie ich finde, sehr gelungenen und aufrüttelnden Ausstellung wünsche ich viele interessierte und am Ende auch nach-denkliche Besucher.

Vielen Dank für’s artige Zuhören, vielen Dank für Ihre freundliche Geduld!

Lesenswert auch der Bericht von Johannes Franke in der Lingener Tagespost:+

https://www.noz.de/lokales/lingen/artikel/1762683/ausstellung-des-landesbueros-niedersachsen-der-friedrich-ebert-stiftung?amp

 

Statement von Dr. Heribert Lange am 27. November im LWH

29 Donnerstag Nov 2018

Posted by forumjc in 2019, Archiv

Am 27. November hat im Ludwig-Windthorst-Haus in Lingen eine öffentliche Veranstaltung zum geplanten Museum für Bernd Rosemeyer und seine Frau Elly Beinhorn stattgefunden. Dr. Heribert Lange hat dabei als Vorsitzender des Forums Juden-Christen folgendes Statement abgegeben.

Unsere frühere, ausführliche, oft und plausibel erklärte Begründung unserer grundsätzlichen und generellen Ablehnung des Museums ist eindeutig und klar, und sie steht fest. Und doch haben wir ihr noch etwas hinzuzufügen.

Vielleicht nämlich wird unsere Position verständlicher, wenn wir sie mit Fragen verbinden, an die viele bisher noch nicht gedacht haben:

Beitrag lesen

Warum nicht ein Museum für die „kleine“ Sparkassenangestellte Selma Hanauer, die ihren Job und ihre berufliche Existenz bereits 1933, also am Anfang des ganzen Unheils, verlor, „nur“ weil sie jüdischen Glaubens war.

Warum kein Museum für den Altbürgermeister und Ehrenbürger Robert Koop sen., der verbotener Weise des Nachts Brot aus seiner Backstube zu Hanauers brachte und dafür von der HJ übel zugerichtet wurde – nicht nur einmal, wie uns Bernhard Neuhaus erzählte? Warum kein Museum für die Eltern des kürzlich verstorbenen Ober-bürgermeisters Bernhard Neuhaus, die sich ähnlich und ähnlich für-sorglich, aber verbotener Weise um jüdische Nachbarsfamilien kümmerten, und inhaftierte Nazigegner im Gefängnis mit Nahrung versorgten, dieses sogar der Alt-OB selbst, wenn auch als kleiner Knirps an der Hand seiner Mutter?

Warum kein Museum für Helga Hanauer, die der Stadt Lingen schon 1975 – oder vielleicht auch: dann endlich eine geharnischte und Gott sei Dank wirkungsvolle Lektion zu deren perfektem Verdrängungskomplex der jüdischen Geschichte Lingens erteilt hat? Warum also nicht ein Museum für Opfer der NS-Herrschaft, für die Kümmerer und für die Gefolgschaftsverweigerer und für die beharrlichen NEIN-Sager?

Weder gibt es Straßen mit ihren Namen in der Stadt, noch spricht man über sie, sondern überlässt sie dem allzu kurzen Gedächtnis unserer Gesellschaft und damit wohl auch dem Vergessen.

Wir, das Forum Juden Christen, und alle, die wir an unserer Seite wissen, setzen uns dafür ein, dass sich das ändert, damit diesen Menschen endlich Genugtuung widerfährt.

Stattdessen soll nun aber ein gänzlich anderes Museum her, ja, ein Museum! Ein Museum für einen Trittbrettfahrer, Kollaborateur und Profiteur des NS-Systems – Rennfahrer und SS-Offizier! Und: SS „musste“ man nicht, sondern wollte man höchstens, auch nicht als Rennfahrer.

Was Sie, Herr Liesen und Herr Professor Walter, uns da, vor allem aber den Opfern, den Holocaustüberlebenden, aber auch denen, die mutig und tapfer dagegen gehalten haben, zumuten, ist bei näherer Betrachtung in der Tat eine unglaubliche und eine unziemliche Zumutung!

Wir haben bei mehreren, auch unterschiedlichen Gelegenheiten und in jeweils mehrstündigen Sitzungen zu dem Konzept von Herrn Professor Walter Stellung genommen, auch in einem überaus fragwürdigen NDR-Talk im August. Wir haben versucht, das Museumsprojekt auf diese Weise kritisch zu begleiten – ebenso wie die Historiker hier vor Ort, wie Frau Dr. Kaltofen von der Gedenkstätte Esterwegen und wie die aus Münster und Osnabrück hinzugebetenen Historiker, von denen Professor Rass sich heute Abend dankenswerter Weise erneut auf den Weg zu uns gemacht hat.

Aber wir sehen nun auch die Grenzen unserer Gegenrede: Denn Sie, Herr Liesen, haben das Recht auf Ihrer Seite, und Sie verfügen, wie Sie uns erklärt haben, über die Mittel.

Am Ende stimmen wir deshalb mit der Einschätzung eines Vertreters der CDU-Mehrheitsfraktion im Rat der Stadt Lingen überein: „Das Museum ist so überflüssig wie ein Kropf!!!“ Im Umkehrschluss muss man diesen Satz naheliegender Weise auch als Antwort auf die in allen Debatten bisher unbeantwortete Frage nach dem Sinn dieses Museumsprojekts verstehen, also die Frage: Wozu denn das Ganze – um des lieben Himmels Willen?

In nicht einer der Zusammenkünfte haben wir eine Antwort auf diese Frage gehört, eine Frage, die sinnvoller Weise am Anfang solcher Vorhaben stehen sollte und steht. Wir haben sie die Frage des „Ob“, also des Ob überhaupt, genannt. Bezüglich der Frage des „Wie“ waren indessen zahlreiche Variationen und Paraphrasen zu vernehmen.

Übrigens ist dieser Satz „Überflüssig wie ein Kropf“ nicht etwa im Zusammenhang mit der von Herrn Liesen und anderen angezweifelten Rechtmäßigkeit des Votums des städtischen Verwaltungsausschusses vor 18 Monaten im Mai 2017 so gesagt worden, sondern in oder am Rande einer weiteren, erst kürzlichen Beratung des Ältestenrats unserer Stadt Lingen. Von falschen Voraussetzungen, unter denen sich der VA gegen das Museum entschieden hätte, kann keineswegs die Rede sein.

Aber auch noch das: Wir fühlen uns, entsprechend der programmatischen Ausrichtung des Vereins Forum Juden Christen im Altkreis Lingen e.V, als Paten und Anwälte der Opfer des Holocaust und damit zugleich als die Hüter des Ansehens ihrer Namen und ihrer Personenwürde und als Sachwalter der Erinnerung in unserer Stadt und im Altkreis Lingen, und sind ausdrücklich auch autorisiert dazu. Und dies nicht nur der Erinnerung an die Opfer wegen, sondern um der Erinnerungskultur in unserer Gesellschaft Willen.

Es gibt, dies aber auch noch, die Erklärung von Hinterbliebenen der Opfer, gerade auch der Opfer aus Lingen. Und es gibt die Erklärungen der jüdischen Amtsträger, dass das Museum für Bernd Rosemeyer und Elly Beinhorn „vor dem Hintergrund des millionenfachen Schicksals der im Holocaust ermordeten Juden der Verhöhnung auch noch der Asche ihrer Opfer gleichkommt“. So hat es Michael Grünberg, der kluge Vorsteher der jüdischen Gemeinde Osnabrück, unserer Stadt Lingen vor kurzem geschrieben. Angesichts dieses nun wirklich unmissverständlichen Satzes wird doch keiner hier im Raum und auch keiner sonst erwarten können, dass wir, das Forum Juden Christen im Altkreis Lingen, bei diesem Projekt dann die Rolle des Hofnarren übernehmen.

Denn wir stehen nicht „einfach nur“ zu unserer Verpflichtung für die Ehre der Ermordeten und die Erinnerung an das Unrecht der Nazis, der SS und SA und all ihrer Helfershelfer und Profiteure, sondern hier und jetzt auch zu dieser dezidierten Aussage von Michael Grünberg. Darum gilt für uns: Lingen braucht kein Rennfahrermuseum.

Deshalb geht heute nochmals die Bitte und der Appell an Sie, Herr Liesen und auch an Sie, Herr Professor Walter: Bedenken Sie Ihre staatsbürgerliche und gesellschaftliche, aber nicht zuletzt auch Ihre moralische Verantwortung! Haben sie Erbarmen mit unser aller Stadt und bewahren Sie die Bürgerinnen und Bürger von Lingen vor einem grauslichem Ungemach, vielleicht auch einer Schande, der Schande eines fragwürdigen Museumsorts.

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