Simon Göhler freute sich darüber, dass nach langer Pause wieder ein „Lehrhausgespräch“ stattfinden konnte. Im Gedenkort Jüdische Schule begrüßte der Forums- Vorsitzende zahlreiche TeilnehmerInnen und den Referenten. Manfred Schmitz-Berg ist Autor des Buches „Wieder gut gemacht?“. Die zweite Auflage seiner Geschichte der „Wiedergutmachung“ wurde vom Forum Juden-Christen herausgegeben. Hintergrund war nicht zuletzt, dass Bernhard Grünberg, 2021 verstorbener Ehrenbürger von Lingen, sich immer wieder sehr kritisch gegenüber der „Entschädigung“, die Naziopfern unter dem auch von Schmitz-Berg problematisiertem Begriff „Wiedergutmachung“ zugestanden wurde. Grünberg: „Was konnte man wiedergutmachen? Absolutely nothing! Eine schlechte Bezeichnung!“

Schmitz – Berg umriss in der Jüdischen Schule die politische Situation, in der Bundeskanzler Adenauer und der israelische Ministerpräsident Ben Gurion gegen erhebliche Widerstände in beiden Ländern 1952 das „Luxemburger Abkommen“ schlossen, in dem die Bundesrepublik Deutschland ihre Verpflichtung zur Entschädigung der überlebenden Naziopfer anerkannte.

Wie „Wiedergutmachung“ mehr oder weniger gelang, stellte der Referent an Einzelschicksalen vor. Dabei wurde die Verfolgung von Juden, von Sinti und Roma deutlich. Die Diskriminierung endete 1945 nicht. Insbesondere Sinti und Roma, noch heute Ausgrenzungen ausgesetzt, aber auch zurückgekehrte Juden wurden nicht mit offenen Armen aufgenommen. Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrates der Sinti und Roma, steuerte ein Geleitwort zum Buch bei. Rose weist auf den besonderen Skandal hin, dass die Entschädigungsforderungen von Sinti und Roma vom gleichen Beamten bearbeitet wurden, der während des Naziterrors für die Deportation der „Zigeuner“ zuständig gewesen war. Für Lingen ist an den Umgang der Behörden mit dem Überlebenden Gustav Hanauer und seiner Tochter Helga zu erinnern.

Zum Buch: Manfred Schmitz-Berg: Wieder gut gemacht? Die Geschichte der Wiedergutmachung seit 1945. Düsseldorf 2022, Zweite, aktualisierte und erweiterte Auflage. 
Herausgeber: Forum Juden-Christen Altkreis Lingen e.V., 15,00 €

Das Schicksal eines Berufskollegen von Schmitz-Berg beeindruckte die Lehrhausgemeinde besonders. Dr. Hugo Stern, 1889 geboren, leistete im 1. Weltkrieg – wie so viele jüdische Deutsche – Kriegsdienst und wurde verletzt. Er wurde Landgerichtsrat in Essen. Von den Nazis 1933 entlassen, floh er in die USA, wo er als Parkwächter arbeitete.

Die Richterschaft in Deutschland war nazibelastet. Um wenigstens einige unbelastete Richter einstellen zu können, wurde geflohenen Juristen die Rückkehr angeboten. So auch Hugo Stern. Seine Dienstzeit bis 1933 wurde nicht anerkannt. Eine Beförderung wurde abgelehnt, weil er 17 Jahre lang nicht in seinem Beruf gearbeitet habe.

Wieder gut gemacht?“ Am Ende des mit viel Beifall bedachten Vortrages wurde in der Diskussion das Fragezeichen betont. Wie Bundestagspräsidentin Bärbel Bas in ihrem Geleitwort zum vorgestellten Buch zur deutschen Motivation zur Entschädigung von Nazi-Opfern schrieb, es gelte auch, „sich selbst wieder gut zu machen“.

Simon Göhler dankte im Namen der Lehrhausgemeinde dem Autor Manfred Schmitz-Berg (links) und seinem Verleger Georg Aehling mit einem Präsentkorb. Fotos: fwp

s.a. den Bericht von Carsten van Bevern in der Lingener Tagespost v. 08.03.2023

http://www.noz.de/lokales/lingen/artikel/lingener-forum-gibt-buch-zur-wiedergutmachung-nach-1945-heraus-44287142