Jüdische Gemeinde Osnabrück übergibt dem Forum eine Thorarolle

Gut 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, nicht nur aus Lingen, nahmen am 31. Oktober 2019 im großen Saal der Lingener Wilhelmshöhe an einer eindrucksvollen Feier „150 Jahre Jüdische Synagogengemeinde Lingen“ teil. Die Gemeinde wurde Anfang Oktober 1869 in Lingen gegründet und hörte 1942 auf zu existieren, nachdem ihre bis dahin noch in Lingen lebenden Mitglieder in die Ghettos oder die Vernichtungslager im Osten deportiert worden waren. 

Auf Initiative des Forums Juden-Christen hatten auch die Jüdische Gemeinde Osnabrück und die Stadt Lingen eingeladen. Festredner war Professor Andreas Nachama, u.a. Direktor der Stiftung „Topografie des Terrors“ in Berlin. Sein Vortrag beleuchtete die interreligiösen Beziehungen vor und nach der Shoa: Bis zur Machtübertragung an die Nationalsozialisten habe es ein Nebenher der Religionen gegeben. Nachama verwies auf den Christlichen Antijudaismus, der in der katholischen, später besonders auch in der evangelischen Kirche geherrscht habe.

Erst nach dem Sieg über den Hitlerfaschismus sei es zu besseren Kontakten zwischen Christen und Juden gekommen. So arbeitet Nachama als jüdischer Vorsitzender des Gesprächskreises Juden und Christen beim Zentralkomitee der Katholiken und gehört zu den Initiatoren des Berliner „House of One“, in dem Juden, Muslime und Christen – Angehörige der abrahamitischen Religionen – zusammenarbeiten. Mit Verweis auf die jüngsten judenfeindlichen Anschläge forderte Nachama ein härteres staatliches Vorgehen gegen rassistisch motivierte Gewalttäter.

In seiner Einführungsrede erinnerte der Vorsitzende des Forums, Dr. Heribert Lange, zuvor daran, dass die Jüdische Gemeinde Lingen, ebenso wie wohl alle Jüdischen Gemeinden in Nazideutschland, beginnend mit der Zerstörung und Einäscherung ihrer Gotteshäuser am 8. November 1938 und endgültig mit der Deportation der bis dahin noch in Lingen verbliebenen Gemeindemitglieder mit den „Bielefelder Transporten“ im Dezember 1941 nach Riga, und hernach, also im Jahr 1942, in das KZ Theresienstadt, ausgelöscht wurde. Wie auch der anschließend sprechende Mitveranstalter, der Vorsteher der Jüdischen Gemeinde Osnabrück ,Michael Grünberg, verwies Lange darauf, dass die weitgehende Auslöschung der jüdischen Kultur Deutschland kulturell und wissenschaftlich erheblich ärmer, im moralischen Sinne aber auch armseliger gemacht habe. Lange erinnerte die anwesenden Vertreter der Lingener Stadtpolitik – darunter den mit einem Grußwort teilnehmenden Zweiten Bürgermeister Stefan Heskamp – daran, dass die zugesagte Aufarbeitung der Geschichte Lingens während der NS- Herrschaft nach wie vor ausstehe. Er wünschte sich einen gemeinsamen Prozess mit der Gesellschaft und am liebsten zusammen mit jungen Menschen in Lingen und ihren Schulen.

Dankbar nahm Dr. Heribert Lange die nicht mehr koschere Thorarolle entgegen, die der Vorsteher der Jüdischen Gemeinde Osnabrück Michael Grünberg als Zeichen der Wertschätzung für die Arbeit des Forums Juden-Christen überreichte.

Fotos: Carsten van Bevern, Lingener Tagespost (mit freundlicher Genehmigung)

 

Dass der Hass auf jüdische Menschen und ihre Freunde auch in Lingen existiert, legt eine Farbbeutelattacke auf das Fahrzeug des Forums- Vorsitzenden Dr. Heribert Lange während der Veranstaltung nahe.

Hinweise auf Informationen zum Festakt

Podcast der Ems-Vechte-Welle über den Festakt:

https://www.emsvechtewelle.de/150-jahre-juedische-gemeinde-lingen

Bericht der Lingener Tagespost:

https://www.noz.de/lokales/lingen/artikel/1923308/historische-thora-fuer-forum-juden-christen-in-lingen