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Dr. Brenner würdigt Forum – Lob für Sels und Kuhrts

Von Thomas Pertz

Lengerich/Freren
Dr. Brenner ist Vorsitzender der mit 13 000 Mitgliedern größten jüdischen Gemeinde Deutschlands. Zur Berliner Gemeinde unterhält das Forum Juden-Christen seit 1994 enge Kontakte. Deren Vorsitzender Reinhold Hoffmann hatte Brenner ins südliche Emsland eingeladen, um ihm die Aktivitäten der Menschen in der Region, die sich aktiv um eine Verständigung zwischen Christen und Juden bemühen, vorzustellen.lt-01-02-03_1

Im Lengericher Rathaus dankte Bürgermeister Josef Duisen im Beisein von Vertretern aus der politischen Gemeinde, der Kirchen und Schulen, dem Gast aus Berlin für sein Kommen. Dieser Besuch trage mit dazu bei, dass die Verbrechen der Nationalsozialisten, denen auch jüdische Familien aus Lengerich zum Opfer gefallen seien, nicht in Vergessenheit gerieten. Duisen sprach in diesem Zusammenhang insbesondere Gerhard Sels seinen Dank aus für dessen jahrzehntelanges Bemühen, die Erinnerung an die jüdischen Mitbürger des Ortes  wachzuhalten.

Auf die Initiative von Sels hin wurde am 30. August 1987 im Lengericher Bürgerpark ein Gedenkstein  eingeweiht. Der Bürgermeister rief allen noch einmal die Worte des Landesrabbiners Brand aus Hannover an jenem Tag in Erinnerung: ,,Es gibt keine Kollektivschuld, aber wer jemanden, der schreiend um Hilfe ruft, den Rücken kehrt, lädt Schuld auf sich“.

So fixiert sich denn auch die Arbeit des Forums nicht auf eine ausschließliche Aufarbeitung der Vergangenheit, sondern will ebenso Perspektiven aufzeigen, wie heute Versöhnung und Verständigung praktiziert werden kann. Zum Beispiel im ehemaligen jüdischen Bethaus in der Frerener Grulandstraße, der nächsten Station von Brenner.lt-01-02-03_2

Die Sanierung des Hauses, das sich im Besitz der Jüdischen Gemeinde Osnabrück befindet, bildet derzeit einen Schwerpunkt der Arbeit des Forums. Architekt Eberhard Dreyer stellte dem Gast die Pläne zum Umbau des Hauses vor. Die Gesamtkosten belaufen sich seinen Angaben zufolge auf 379 000 Euro. Die Maßnahme soll bis August diesen Jahres abgeschlossen sein. Erhebliche Geldmittel werden vom Amt für Agrarstruktur aus dem Topf ,,Pro Land“ erwartet, auch der Landkreis beteiligt sich, ebenso die Jüdische Gemeinde Osnabrück.

Dieses Haus wieder ,,erzählen“ zu lassen und es gleichzeitig zu einem Ort des Betens und der Begegnung zu entwickeln, seien die Ziele des Forums, erläuterte Vorsitzender Reinhold Hoffmann. Sichtlich bewegt ließ sich Dr. Brenner von Lothar Kuhrts, Leiter der Samuel-Manne-Geschichtswerkstatt, berichten, was es mit diesem Haus und seinen letzten Bewohnern, der Familie Manne, auf sich hatte.

Rückblende, 31. Dezember 1939: Samuel Manne wird geboren, nicht in einem nahegelegenen Krankenhaus, sondern in Rheine, wo seine Eltern Martin und Erika Manne an diesem Silvestertag auf einem Pferdekarren ankommen. Das dortige Krankenhaus nimmt die jüdische Mutter auf, während ihr die Türen zu Hause verschlossen geblieben waren. Zeit zum Aufwachsen im Haus an der Grulandstraße geben die Nazis Samuel Manne nicht. Bereits 1941 wird er mit seinen Eltern und der Oma nach Riga deportiert, und von dort aus 1943 nach Auschwitz. Während seine Eltern den Horror überleben, werden Samuel und seine Großmutter unmittelbar nach der Ankunft Anfang November vergast.lt-01-02-03_3

Tief beeindruckt zeigt sich Dr. Brenner von dem Vorhaben des Forums, dieses Bethaus wieder mit Leben zu füllen. Dies gilt ebenso für die Arbeit von Kuhrts in der jüdischen Geschichtswerkstatt ,,Samuel Manne“, die in der Alten Molkerei untergebracht ist. Dem Lehrer gelingt es auch immer wieder, junge Menschen für seine Erinnerungsarbeit zu begeistern. So pflegen Schülerinnen und Schüler aus Freren seit Jahren den kleinen jüdischen Friedhof im Ort.

Bei einem Empfang für Dr. Brenner im Frerener Rathaus, an dem unter anderem auch der Osnabrücker Rabbiner Marc Stern, der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Osnabrück, Michael Grünberg, und Ehrenlandrat Josef Meiners teilnahmen, würdigte Bürgermeister Klaus Prekel die Arbeit von Kuhrts. ,,Er hat es geschafft, dass die älteren Bürger in Freren wieder über die Ereignisse während der Zeit des Nationalsozialismus reden“, hob Prekel hervor. Das jüdische Bethaus werde auch als Beispiel für den richtigen Umgang mit der Vergangenheit dienen.

In einer kurzen Ansprache unterstrich Dr. Brenner, dass es gerade für junge Menschen wichtig sei, das Judentum in praktischen Formen kennen zu lernen. Die Aktivitäten des Forums bezeichnete der 72-Jährige ,,als beispielhafte Arbeit für die gesamte Bundesrepublik.“lt-01-02-03_4

Den Abschluss dieses Besuchstages am Donnerstag im Altkreis Lingen bildete die Veranstaltung zum Holocaustgedenktag in der evangelischen Kirche, schräg gegenüber vom Bethaus in der Grulandstraße. In dem gut gefüllten Gotteshaus forderte Rabbiner Stern dazu auf, die Erinnerung wach zu halten als Mahnung für die Zukunft. Er sei dem Forum Juden-Christen sehr dankbar für dessen Beitrag zum interreligiösen Dialog zwischen den beiden Religionsgemeinschaften.

In seiner Rede rief Dr. Brenner noch einmal die schrecklichen Geschehnisse zwischen 1933 und 1945 in Erinnerung, den millionenfachen Mord, der in dem Wort Auschwitz sein Synonym gefunden hat. Der Antisemitismus in Deutschland erhebe erneut sein hässliches Haupt in verschiedenen Formen, mahnte der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde zur Wachsamkeit. Das Forum Juden-Christen leiste einen wichtigen Beitrag, um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken.     lt-01-02-03_6 ,,Es ist ein Lichtblick für uns Juden, wenn man sieht, mit welchem Engagement sich diese Menschen hier um die Aufarbeitung der Geschichte der Juden einsetzen.“ Er hoffe, dass solche Beispiele auch in anderen Teilen Deutschlands Schule machten.

Zu Beginn der Gedenkfeier zeigte ein Dia in der Kirche ein Bild des Konzentrationslagers Auschwitz. Über den Schienenstrang, der zum Lagereingang und zur berüchtigten Rampe führte, schien Gras zu wachsen. Im Altkreis Lingen gibt es viele Bürger, die dies zu verhindern wissen.

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