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Sally Perel als Junge in Uniform der Hitlerjugend: 77-jähriger sprach gestern in Lengerich vor 300 Schülern

Lengerich (pe)
Es war eine Geschichtsstunde der besonderen Art, die gestern Vormittag rund 300 Jungen und Mädchen des achten bis zehnten Schuljahres der Haupt- und Realschule in Lengerich erleben durften. Sally Perel, als jüdischer Junge in der Uniform der Hitlerjugend dem Holocaust entgangen ließ sie teilhaben an seiner ebenso leidvollen wie außergewöhnlichen Lebensgeschichte. lt-27-11-02_2 lt-27-11-02_1

Bereits im letzten Jahr hatte der 77-Jährige nach Lengerich kommen wollen, doch eine schwere Erkrankung hinderte ihn damals daran. “Deshalb freut es mich sehr, dass es nun geklappt hat”, sagte Perel, 1925 in Peine geboren und seit 1948 in Israel lebend, vor seinem Vortrag im Saal der Gast stätte zur Post. Seit dem 28 Oktober ist er für sechs Wochen, auf Vortragsreise in Deutschland unterwegs. Stationen waren auch Städte wie Erfurt, Jena und Weimar in den neuen Bundesländern.

“Wir sind die letzten Zeit zeugen, während die Gruppe der Leugner des Holocaust immer größer wird”, unterstrich Perel im Saal sein Hauptanliegen: der jungen Generation durch den Bericht eines Überlebenden das Unfassbare begreiflich zu machen, sie dadurch auch zu stärken vor ideologischer Beeinflussung. Dass in Deutschland wieder junge Menschen mit Springerstiefeln und Baseballschlägern durch die Straßen zögen, mache ihn tief betroffen.

Betroffen waren auch die Schülerinnen und Schüler der achten bis zehnten Klasse des Lengericher Schulzentrums, die die Geschichte des “Hitlerjungen Salomon” verfolgten. Die jungen Leute hatten sich nach Angaben von Rektor Franz-Josef Kordes gut vorbereitet: viele von ihnen hatten das gleichnamige Buch von Perel gelesen oder die Verfilmung gesehen. Im Kunstunterricht waren zahlreiche Zeichnungen entstanden, die im Saal hingen und die schreckliche Fratze des Zweiten Weltkrieges zeigten.

Sally Perel überlebte im Gegensatz zu seiner Familie, die der el_am_sonntag-20-10-02_3Vernichtungsmaschinerie der Nazis zum Opfer fiel, “weil ich unter die Haut des Feindes schlüpfen konnte”. Eindrucksvoll und bewegend beschrieb der 77-Jährige, wie er nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten zunächst mit seiner Familie nach Polen floh. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen beschlossen seine Eltern, dass er sich mit einem Bruder über die Grenze nach Russland durchschlagen sollte.

Doch auch dort holte ihn bald der Krieg ein. Die deutsche Wehrmacht ließ in einem Dorf bei. Minsk, wo sich der junge Salomon aufhielt, die Bürger in langen Reihen antreten, um die Juden unter ihnen sofort zu erschießen. “Du sollst leben”, hatte seine Muter zu ihm beim Abschied gesagt. Der Junge erinnerte sich daran, als der Soldat vor ihm stand: “Ich bin ein Volksdeutscher”, log Salomon und rettete damit sein Leben.

Aus Salomon wurde Joseph, oder kurz Jupp Perjel, der im Laufe des Krieges sogar eine Schule der Hitlerjugend in Braunschweig besuchte, eine Elite-Anstalt, in der die Nationalsozialisten ihren Führungsnachwuchs herausbildeten. Eindrucksvoll beschrieb Sally Perel, wie er sich von sich selbst lösen musste: seine jüdischen Wurzeln musste er kappen, stattdessen “Sieg Heil” rufen und den rechten Arm zum Hitlergruß heben. Immer in Angst, entdeckt zu werden, lebte Salomon/Joseph bis zum Kriegsende in zwei Welten. Aber es geschah auch noch etwas anderes. 40 Jahre lang habe er sich nicht, getraut, seine “eigene kleine Tragödie” auszusprechen, sagte Sally Perel: “Ich wurde ein echter junger Nazi.” Auch als jüdischer Junge habe er nicht der totalen Beeinflussung widerstehen können. “Dieser tragische Konflikt, Jude und Nazi in einer Person gewesen zu sein, begleitet mich bis heute”, beschrieb Perel seine Gefühle.

Die Darstellung des eigenen Erlebens einer staatlich angeordneten Gehirnwäsche, die aus eigenständigen Individuen willfährige Massen machte, war für ihn ein zentraler Punkt im Vortrag, um seine Botschaft an die Schülerinnen und Schüler
rüberzubringen. Ihre persönliche Stärke könne auch auf Wissen beruhen, das er als Zeitzeuge vermittele. “Eine psychisch schwache Jugend, deren Ego nicht stark ausgeprägt ist, ist empfänglich für Parolen”, warnte der 77-Jährige vor den ..Folgen einer solchen Labilität.

Perel verstand seine Ausführungen deshalb als Auftrag an die jungen Leute: “Ihr habt den Bericht noch gehört, während wir Zeitzeugen bald nicht mehr da sind und in Deutschland wieder. marschiert wird.” Auch die Schülerinnen und Schüler aus Lengerich und Umgebung sah er als Multiplikatoren an, Fakten weiterzugeben und aus der Geschichte zu lernen, und zitierte den Schriftsteller Bertolt Brecht: “Wer die Wahrheit nicht weiß, ist ein Dummkopf, wer sie weiß und eine Lüge nennt, ist ein Verbrecher.”

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