Erinnerung an die „Euthanasie“-Morde
Lingen/ Hamburg (PM). Die Verbrechen der Nazis und ihrer HelferInnen gegen Menschen mit Behinderung waren Thema der auslaufenden Lehrhaussaison des Forum
Juden-Christen Altkreis Lingen. Neben einer theoretischen Einführung in die von den Nazis verharmlosend „Euthanasie“ genannten Morde durch Dr. Walter Höltermann und Informationen über die Hungermorde in der Anstalt Wehnen nahe Oldenburg durch den Medizinhistoriker Dr. Ingo Harms war auch der Besuch der evangelischen Alsterdorfer Anstalten (ESA) in Hamburg geplant. Die Exkursion, an der auch Mitarbeitende des Lingener Christophorus-Werkes mit Geschäftsführer Stefan Kerk teilnahmen, fand jetzt unter Leitung des Stellvertretenden Vorsitzenden des Forums, Walter Höltermann, statt. Begrüßt wurde die Delegation von Bernot Rytlewski, der vor seiner Pensionierung für die Öffentlichkeitsarbeit der ESA zuständig war. Unterstützt wurde Rytlewski von Oliver Gerkens, der in der Einrichtung wohnt und arbeitet.
Von Pastor Heinrich Sengelmann (1821 – 1899) bereits Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet, wurden die Alsterdorfer Anstalten bald bedeutend für Menschen mit
Behinderung, die im 19. Jahrhundert am Rande der Gesellschaft standen. Die ESA bietet heute Assistenz-, Wohn- und Bildungsangebote für Menschen mit Behinderung sowie Angebote der Kinder- und Jugendhilfe. Sie ist mit ihren Angeboten an mehr als 180 Standorten in Norddeutschland vertreten.
Bernot Rytlewski und Oliver Gerkens führten durch die Einrichtung und stellten besonders den Lern- und Gedenkort für die Opfer der „Euthanasie“- Verbrechen in Alsterdorf vor. Dort wird der ermordeten Menschen mit Namen und Bild, so vorhanden, gedacht. Die Alsterdorfer Anstalten wurden unter der Leitung von Pastor Friedrich Lensch (NSDAP) wie so viele ursprünglich zu ihrer Unterstützung gedachten Einrichtungen lebensgefährlich für Menschen mit Behinderung.
Die meisten Mitarbeitenden wurden Mitglieder der Nazi-Partei, Mitglieder der SA oder anderer Gliederungen der NSDAP. Die Anstalt wurde zum „Nationalsozialistischen
Musterbetrieb“ erklärt.Das Nazi-Gesetz „zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ von 1933 wurde durch Massensterilisationen auch in Alsterdorf umgesetzt.
26 jüdische Bewohner wurden ohne äußeren Druck 1938 in andere Einrichtungen verschleppt und dort ermordet. Auf Bitten Rytlewskis las Angela Prenger, Stv. Vorsitzende des Forums, die Namen der jüdischen Opfer vor. Insgesamt wurden 630 Bewohnerinnen und Bewohner aus den Alsterdorfer Anstalten
abtransportiert, darunter auch viele Kinder. 513 verschleppte Bewohnerinnen und Bewohner wurden nachweislich ermordet, fünf überlebten das Kriegsende und starben kurz danach an Entkräftung, von 34 ist das Schicksal unbekannt.
Nach den Worten von Walter Höltermann „haben die Alsterdorfer Anstalten ihre Geschichte in beeindruckender Weise aufgearbeitet.“ Nicht überall werde in dieser Weise
an die Verstrickung in die Nazibarabarei erinnert. Dr. Höltermann dankte den Referenten auf dem inklusiven Marktplatz der ESA unter großem Beifall der emsländischen Besuchergruppe für die intensiven Informationen mit einem Buchgeschenk.

Gruppe: v.l. Walter Höltermann Stefan Kerk, Theo Tepe, Angela Prenger, Oliver Gerkens, Simon Göhler, Beate Tepe, Anne Höltermann, Bettina Kerk, Bernot Rytlewski. Im
Hintergrund die Gedenktafel für die Opfer der Nazi-Verbrechen gegen Menschen mit Behinderung

Dank: v.l. Dr. Walter Höltermann dankt Bernot Rytlewski und Oliver Gerkens mit einem Buchgeschenk.

Vorsitzende: v.l. Angela Prenger (Stv. Vorsitzende des Forums), Dr. Walter Höltermann (Stv. Vorsitzender) und Simon Göhler, Vorsitzender) vor dem Lern- und Gedenkort für die Nazi-Opfer aus Alsterdorf.