Lingen. „Das ist ja wie bei uns in der Eucharistie!“ Überrascht waren Frauen der KFD aus Lingen-Laxten, als Angela Prenger vom Forum Juden-Christen über die jüdische Feier zur Schabbat-Begrüßung sprach. Offensichtlich übernahm das Christentum liturgische Elemente aus der jüdischen Mutterreligion. Prenger zur Schabbat-Begrüßung: „Hände waschen, über Brot und Wein den Segen sprechen, alle Teilnehmenden essen dann vom Brot und trinken vom Wein.“
Forum-Vorsitzender Simon Göhler, der die KFD- Frauen unter der Leitung von Birgit Schmitt begrüßte, stellte die Nazi-Verbrechen gegen jüdische Menschen am Beispiel von Ruth Foster, geborene Heilbronn vor. Ruth Heilbronn hatte ihre Eltern freiwillig in die Verschleppung in das „Reichsjudenghetto“ Riga begleitet und musste die Morde an Vater und Mutter miterleben. Als einzige Überlebende kam sie nach Lingen zurück und war später führend an der Erinnerungskultur in der Emsstadt beteiligt. Dem Gedenkort Jüdische Schule schenkte sie ihr KZ-Kleid, das aufwändig restauriert wurde. Göhler erklärte, dass dieses aus minderwertigem Material bestand und daher im Winter nicht wärmte.
Schwerpunkt des Informationsabends war die Rolle der Frau im Judentum. Während traditionelle jüdische Männer aus Respekt vor dem Höchsten eine Kopfdeckung tragen, ist dies für Frauen nicht vorgeschrieben, denn sie stünden als Lebensspenderin dem Göttlichen näher als Männer. Die Frau gibt die Religion an die Kinder weiter. Die Haushaltsführung und die Sorge für die Familie entbinden die Frau vom für Männer verpflichtenden Synagogenbesuch.
Dass Antisemiten Juden für alle möglichen Plagen verantwortlich machen, hat der Referentin zufolge auch mit Reinlichkeitsvorschriften zu tun. Zu Zeiten, als Waschen für Christen als gesundheitsschädlich galt, erkrankten Juden, die religiösen Vorschriften folgend täglich mehrmals die Hände wuschen und monatliche Tauchbäder (Mikwe) in fließenden Wasser nahmen, zum Beispiel seltener an der Pest. Oft mit dem Ziel der Bereicherung an jüdischem Eigentum wurden Juden als „Brunnenvergifter“ ermordet.
Die Frage einer Teilnehmerin, ob die Beschneidung von Jungen unabdingbar vorgeschrieben sei, beantwortete Prenger mit dem Hinweis auf die Thora, wonach diese den Bund mit Gott symbolisiere. Medizinischer Hintergrund: Es sei Tatsache, dass jüdische Frauen sehr viel weniger an Gebärmutterhalskrebs erkrankten als Frauen aus anderen Kulturkreisen. Speisevorschriften ergaben sich zu einer Zeit, als die Kühlung beispielsweise von leicht verderblichem und daher krankheitsauslösendem Schweinefleisch nicht möglich war.
Angela Prenger kann Verletzungen bei jüdischen Menschen nachvollziehen, wenn ihr religiöses Erbe unterschlagen werde. So werde von „christlicher Nächstenliebe“ gesprochen, ungeachtet der Herkunft dieses Gebotes aus der Thora, von Christen gelegentlich etwas abwertend „Altes Testament“ genannt. Prenger, auch Stellvertretende Vorsitzende des Forums: „Wäre es nicht richtiger, von jüdisch-christlicher Nächstenliebe zu sprechen?“
Foto: Die KFD-Gruppe am Gedenkstein für die ermordeten und vertriebenen jüdischen Familien aus Lingen. Links Angela Prenger, 2. von rechts Simon Göhler