Zwei Ausstellungen im Lingener Emslandmuseum: Fotografien von Edward Serotta sowie Feste und Bräuche
Lingen (pe)
Viele Aufnahmen sind voller Melancholie, andere sprühen vor Lebensfreude: alte Menschen, die auf eine leidvolle Vergangenheit zurückblicken, und Jugendliche, die optimistisch in eine noch ungewisse Zukunft blicken. Der Betrachter dieser Fotografien zum Thema ,,Juden in Deutschland heute” kann sich ihrer Suggestionskraft nicht entziehen. Am Montagabend wurde die Ausstellung sowie die parallel dazu konzipierte Sammlung über ,,Jüdische Feste und Bräuche” im Lingener Emslandmuseum eröffnet. Musikalisch begleitet wurden sie von Liedermacher Günter Gall und Pianist Ulrich Rüge (Osnabrück), die jiddische Lieder spielten.
Zwei Ausstellungen gleichzeitig, die sich auf unterschiedliche Art und Weise dem selben Thema nähern: Menschen jüdischen Glaubens. Ihre Kombination und dadurch noch verstärkte Anschaulichkeit hebt den Reiz eines Besuches des Museums an der Burgstraße zusätzlich hervor.
Die Fotografien des amerikanischen Journalisten Edward Serotta sind Bestandteil einer Wanderausstellung des Hauses der Geschichte in Bonn. 64 Aufnahmen Serottas, die zwischen 1993 und 1995 entstanden, sind im Emslandmuseum zu sehen. Ihre Ergänzung finden sie in der parallelen Ausstellung über ,,Jüdische Feste und Bräuche” unter anderem am Beispiel historischer Kultgegenstände aus der Judica-Sammlung des Emslandmuseums.
Die Kunsthistorikerin Veronika Molnar (Bonn) sprach denn auch dem Museum und der VHS als Veranstalter ihren Dank dafür aus, die Fotografien von Serotta ,,in so wunderbarer Weise arrangiert und ergänzt zu haben”. Die Kombination von bebilderten und gegenständlichen Eindrücken über das Judentum sei sehr gut gelungen, lobte die Kunsthistorikern bei der Eröffnung.
Serotta wolle durch seine Bilder zugleich erinnern und aufklären, sagte Frau Molnar. Die Bilder aus dem Alltag jüdischen Lebens in Deutschland drückten Furcht, Hoffnung, aber auch Fragen aus, ob ein jüdisches Leben dort nach dem Holocaust überhaupt noch möglich sei. Der 1949 in Georgia geborene Autor und Fotograf, der heute hauptsächlich in Berlin und Wien arbeitet, sieht in der starken Zuwanderung jüdischer Bürger aus der ehemaligen Sowjetunion Anfang der 90ger Jahre eine große Chance. ,,Jüdische Gemeinden haben dadurch etwas gewonnen, was sie vor zehn Jahren nicht hatten: eine Zukunft”, erläuterte die Kunsthistorikerin.
Diese Zukunft spiegelt sich auch in der Fotoausstellung wider, wobei Erinnerung und Rückbesinnung auf die leidvolle jüdische Geschichte immer mitschwingen. Besonders eindrucksvoll ist Serotta dies mit einer Aufnahme aus dem Jahr 1995 von Margret Rösler gelungen, die der Betrachter findet, wenn er sich vom Eingang des Museums aus nach links wendet. In der Hand hält die alte Dame, deren Familie in den 30ger Jahren von Berlin nach Chile floh, ein Foto von ihrer alten Wohnung. Ein Bild im Bild, das Ende und Neubeginn zugleich markiert.
Die Ausstellung zeige Hoffnung und Zuversicht als grundlegende Prinzipien, resümierte Veronika Molnar. Dennoch bleibe in den Fotografien die Vergangenheit allgegenwärtig und scheinbare Normalität müsse mit kugelsicheren Türen und Alarmanlagen gesichert werden.
Vom jüdischem Leben an einem besonderen Tag berichtete anschließend der Osnabrücker Rabbiner Marc Stern. Er brachte den Gästen den Sabbat als siebten Tag der Woche und höchsten Feiertag im Judentum näher. Seine Ausführungen zum Sabbat verknüpften die Bilder Serottas und die Ausstellungselemente zu jüdischen Festen und Bräuchen auf ebenso einfühlsame wie unterhaltsame Art miteinander. Marc Stern entwarf vor dem geistigen Auge der Zuhörer ein Bild von der zeremoniellen Vielfalt und religiösen Intensität des Sabbats, der den Worten des Rabbiners zufolge den Schöpfungsprozess vollendet: ,,Sechs Tage schuf Gott Himmel und Erde, am siebten Tag ruhte er sich aus”.
Der Sabbat beginnt mit dem Einbruch der Dunkelheit am Freitagabend und endet nach Einbruch der Dunkelheit am Samstagabend. ,,Es ist ein besonderer Moment”, schilderte der Rabbiner den Anfang mit dem Entzünden der Sabbatkerzen und dem Kiddusch, der Segnung. Der Sabbat endet mit der Hawdalah, einer Zeremonie zur Trennung zwischen Feiertag und Alltag. Dabei wird eine besondere Kerze angezündet, die geflochten ist und mehrere Dochte hat, damit sie ein besonders helles Licht gibt. Sie ist ein Zeichen dafür, dass der kommende Tag der ist, an dem Gott das Licht schuf.
Solche Hawdalakerzen sind in der Parallelausstellung im Emslandmuseum ebenso zu sehen wie ein Abschnitt aus der Thorarolle und der Leuchter mit Davidstern. Ein besonderer Blickfang ist im Eingangsbereich die miniaturisierte Nachbildung der 1938 zerstörten Lingener Synagoge. In mühevoller Kleinarbeit hat der Meppener Gerd Steenken das Gebetshaus, von dem neben Erinnerungen nur noch verschwommene Fotografien existieren, wieder ins Gegenständliche transformiert. Bei 100 Stunden habe er aufgehört zu zählen, schilderte der Meppener den enormen Arbeitsaufwand. Er hat sich gelohnt, wie die aufmerksamen Blicke am Montagabend zeigten.
Die Ausstellungen Juden in Deutschland heute” und ,,Jüdische Feste und Bräuche” sind bis zum 25. November im Emslandmuseum zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 14.30 bis 17.30 Uhr. Montags ist das Museum geschlossen.