Besuch des Forums Juden-Christen
Lengerich (pe)
Bernhard Grünberg ist ein bescheidener Mensch. ,,Ich fühle mich geehrt, an dieser Sitzung teilzunehmen”, sagte der jüdische Ehrenbürger der Stadt Lingen zu Beginn eines Treffens des neu gegründeten Forums Juden-Christen am Mittwochabend im Lengericher Rathaus. Tatsächlich war es wohl eher umgekehrt. Das Forum durfte sich geehrt fühlen, dass der 78-Jährige sich die Zeit nahm, kurz vor Beginn einer Berlinreise den Mitgliedern aus seinem bewegten Leben zu erzählen.
Grünberg war im Rathaus auch von Samtgemeindebürgermeister Josef Liesen und seinem Stellvertreter Werner Schräer begrüßt worden. Die Biografie des gebürtigen Lingeners ist untrennbar mit den Leiden des jüdischen Volkes während der Zeit des Nationalsozialismus verbunden. Grünbergs Eltern Bendix und Marianne sowie die Schwester Gerda kamen im Getto von Riga und im Konzentrationslager Stutthof ums Leben. Bernhard Grünberg überlebte die Nazigräuel, weil er als 15-Jähriger im Rahmen eines Kindertransportes nach England ausreisen konnte.
Mit bewegenden Worten schilderte Grünberg, wie er sich 1938 im Zug von seinem Vater verabschiedete, der ihn bis zur niederländischen Grenze begleitet hatte. Was beide nicht wussten: der Abschied im Zug war ein Abschied für immer…
Grünberg wurde im Dezember 1995 gemeinsam mit Ruth Foster, geborene Heilbronn, von der Stadt Lingen mit der Ehrenbürgerschaft ausgezeichnet. Auch deren Eltern hatten den Holocaust nicht überlebt. Der 78-Jährige lebt ebenso wie Frau Foster in Großbritannien. Ein schweres Leben – nein, das habe er nicht, sagte Grünberg. ,,Ich bin heute am Leben, das ist mehr, als man von sechs Millionen anderen sagen kann”, erinnerte der Jude an das Schicksal seines Volkes während des Dritten Reiches.
Vor diesem Hintergrund werde er oft gefragt, woher er die Kraft nehme, nach Deutschland zurückzukehren, erklärte der 78-Jährige. Seine Antwort: ,,Man kann nicht die Kinder für die Taten der Eltern verantwortlich machen”. Grünberg nahm aber diese ,,Kinder” in die Pflicht, wachsam zu sein. Er halte es für durchaus möglich, dass sich die Geschichte noch einmal wiederholen könne und sich der Hass dann gegen andere Minderheiten in Deutschland, wie zum Beispiel Ausländer, richte.
Solchen Tendenzen entgegen zu treten, gehört auch zu den Aufgaben des Forums Juden-Christen im Altkreis Lingen. Der im April gegründete Verein ist Nachfolger des Arbeitskreises Judentum-Christentum. Das Forum sieht einen Schwerpunkt seiner Arbeit auch in der Einbeziehung von Jugendlichen. So wird im September Sally Perel im Lengericher Schulzentrum aus seinem Buch ,,Ich
war Hitlerjunge Salomon” lesen. Es ist die wahre Lebensgeschichte eines jüdischen Kindes, das den Holocaust als Hitlerjunge überlebt – ein Plädoyer für das Recht des Menschen auf Leben – jenseits aller Ideologien und Glaubensrichtungen.
In diesem Jahr ist nach Angaben von Reinhold Hoffmann, Vorsitzender des Forums, außerdem der Besuch des israelischen Botschafters in der Stadt Lingen vorgesehen. Fest eingeplant ist auch ein Besuch von Paul Spiegel, Vorsitzender des Zentralrates der Juden in Deutschland Anfang 2002.
Der Teilnahme von Bernhard Grünberg an der Sitzung des Forums Juden-Christen war ein kurzer Gang zum Gedenkstein im Lengericher Bürgerpark vorausgegangen. Dieser war 1987 zur Erinnerung an die jüdischen Familien mit Namen Heilbronn errichtet worden. In drei Häusern im Dorf hatten jüdische Bürger gewohnt, bevor sie unter den Nationalsozialisten alles verloren. Forumsvorsitzender Reinhold Hoffmann regte in diesem Zusammenhang an, ob nicht auch die Gemeinde Lengerich über eine Ehrenbürgerschaft für die Nachkommen der Familien Heilbronn nachdenken könne.