Mit großer Betroffenheit nehmen wir Abschied von Anne Scherger aus Lingen (Ems), die am 26. September 2025, wenige Wochen nach ihrem 90. Geburtstag verstorben ist.

Schon früh setzte sich die Lehrerin mit der Geschichte der jüdischen Gemeinde in Lingen (Ems) und in der Region im Arbeitskreis „Judentum-Christentum“ auseinander. Im Blick hatte sie dabei sowohl die Alltagsgeschichte als auch die zerstörerischen Folgen des nationalsozialistischen Terrors. Mit Akribie und Engagement half sie, namenlos Gewordenen wieder eine Identität zu geben und verdrängte Schicksale zu rekonstruieren. Dabei gewann sie das Vertrauen und die Freundschaft von Überlebenden des Holocaust aus der Region.

Durch ihren unermüdlichen Einsatz gab es die Ausstellungen im Professorenhaus im Jahr 1991 „Verfolgt – deportiert – ermordet – Leidenswege jüdischer Mitbürger aus dem Raum Lingen“ und im Emslandmuseum im Jahr 1996 „Verfolgt – emigriert – ermordet – Emigrantenschicksale Lingener Juden“, die halfen die Geschichte der Lingener Synagogengemeinde und ihrer Familien in die stadtgeschichtliche Gegenwart zu übertragen.

Dazu war sie Autorin des Geschichtsbandes „Verfolgt und ermordet. Beitrag zur Verfolgungsgeschichte der Juden aus dem Raum Lingen“ aus dem Jahr 1998, in dem sie Leidenswege jüdischer Bürger in Emigration, Deportation, Ghetto und Konzentrationslagern beschrieb.

Ein weiteres bedeutendes Projekt war ihr Beitrag zur Renovierung der ehemaligen Jüdischen Schule in Lingen zum Lern- und Gedenkort. In enger Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv, dem Emslandmuseum wirkte sie an der Konzeption und Entwicklung der Dauerausstellung mit.

Ein Schwerpunkt ihrer jahrzehntelangen Arbeit und Forschung war der jüdische Friedhof in Lingen (Ems), den sie in ihrem Buch „Der jüdische Friedhof in Lingen. Eine Dokumentation. Beitrag zur Geschichte der Juden aus dem Raum Lingen“ aus dem Jahr 2009 behandelte und dort die Geschichte der Familien ausführlich darstellte. Über Jahrzehnte gab Anne Scherger auch Führungen für Schulklassen und interessierten Gruppen über den jüdischen Friedhof und berichtete über die Hintergründe der Namen auf den Grabsteinen.

Darüber hinaus wirkte sie an der Erstellung einer Dokumentationsbroschüre zu den 49 Stolpersteinen in Lingen (Ems) mit, die im Jahr 2013 zum ersten Mal veröffentlicht wurde.

Für ihr verdienstvolles Wirken wurde Anne Scherger mit dem Bundesverdienstkreuz im Jahr 2016 ausgezeichnet – eine Würdigung für ihr langjähriges Engagement in der Erinnerungskultur und Geschichtsvermittlung.

Das Forum Juden-Christen Altkreis Lingen e.V. verliert mit ihr eine zuverlässige Mitstreiterin, die mit ihrem sachlichen und entschiedenen Einsatz zur Brückenbildung zwischen jüdischer Geschichte und Gegenwart beigetragen hat. Ihre Forschungen, Publikationen und Projekte haben Maßstäbe in der öffentlichen Wahrnehmung jüdischen Lebens in der Region gesetzt und werden weiterhin Impulse geben.

In stillem Gedenken

Für den Vorstand des Forum Juden-Christen Altkreis Lingen e.V.

Simon Göhler
Vorsitzender

Angela Prenger
Stellv. Vorsitzende

Dr. Walter Höltermann
Stellv. Vorsitzender