Im sehr gut besuchten Gedenkort Jüdische Schule hielt die Autorin und Übersetzerin Dr. Ulrike Offenberg einen Vortrag über die „Zeit“. Anlass war ein Lehrhausabend des Forums mit der Rabbinerin der liberalen jüdischen Gemeinde Hameln. Offenberg hatte das Buch „Durch das jüdische Jahr“ der Israelin Dalia Marx nicht nur ins Deutsche übertragen, sondern den Text auch für mitteleuropäische LeserInnen angepasst.

Simon Göhler im Gespräch mit Ulrike Offenberg. Göhler stellte die Referentin und das Thema des Lehrhausabends vor. Fotos: fwp

Die Zeit beginnt nach religiösen jüdischen Vorstellungen – vom Christentum übernommen – mit dem Schöpfungsbericht der Genesis, dem wir die weltweit verbreitete Siebentagewoche einschließlich eines wöchentlichen Feiertages verdanken. Offenberg: „Das erste, was in der Welt Gestalt annahm, war die Zeit. Bevor das Leben entstand, wurde die Zeit strukturiert: ‚Abend‘, ‚Morgen‘, ‚ein Tag’, ‚der zweite Tag‘.“

Die Darstellung jüdischen religiösen Lebens und der Hintergründe von Festen im Jahreskreis des hervorragend gestalteten Werkes geht von den zwölf jüdischen Mondmonaten aus. Die Rabbinerin entschied sich für eine etwas andere Buchvorstellung, sie stellte anstelle einer traditionellen „Lesung“ den aktuellen Monat „Adar“ vor, der in diesem Jahr ein Besonderheit aufweise.

Da das üblicherweise geltende Sonnenjahr bekanntlich etwas mehr als 365 Tage dauert, das jüdische Mondjahr aber nur 354 Tage lang ist, wird alle drei Jahre ein Schaltmonat eingeführt, um die Feste zu den jeweiligen Jahreszeiten feiern zu können. Dabei handelt es sich um den „ersten Adar“, der vor den eigentlichen, dem „zweiten“ Adar tritt. Das fröhliche Fest Purim, das die Errettung der Juden vor ihrem Verfolger Haman in der babylonischen Gefangenschaft durch die Königin Esther feiert, wird im „eigentlichen“ Adar begangen. Heute ist Purim der Referentin zufolge in Europa durch den christlichen Karneval geprägt, es gibt Verkleidungen und auch Umzüge. Dies sei ein Beispiel dafür, wie die jeweilige Mehrheitsgesellschaft jüdisches Leben in der Diaspora beeinflusse.

Rabinerin Offenberg verwies im Zusammenhang mit der Esther-Geschichte darauf, dass sich in der Vitrine der Jüdischen Schule eine Esther-Rolle befindet.

Dass die jüdische Gemeinschaft Purim in diesem Jahr unbeschwert begehen könne, bezweifelte Offenberg angesichts des Massakers von Hamas-Terroristen im Oktober 2023. Die Morde, Vergewaltigungen und Entführungen fanden in Israel statt. Das stelle die sichere Zuflucht bedrohter Juden in Frage. Auch das Leiden der palästinensischen Zivilbevölkerung in Israels Krieg gegen die Hamas spreche gegen Feiern.

Angela Prenger übergibt einen Schalomstein, das Kunstwerk wurde von Josef Möddel, Hofmaler des Forums (Eigenbezeichnung) angefertigt.

Auf Vortrag und Diskussion folgten zahlreiche Dankbarkeitsbezeugungen für die Rabbinerin. Der Vorsitzende des Forums, Simon Göhler, überreichte einen Medidationstext von Josef Möddel. Möddel, Gründungsvorsitzender des Vereins, gestaltet unter seinem Künstlernamen Mudde van Duren sogenannte „Schalomsteine“ mit religiösen Symbolen. Der Medidationstext begleitete solch ein Kunstwerk, das von der Stellvertretenden Vorsitzenden Angela Prenger überreicht wurde.

Dankte für einen „Bücherschatz“. Ulrike Offenberg mit Johannes Wiemker.

Ein ganz besonderes Geschenk hatte Johannes Wiemker mitgebracht. Der Begründer des heute von Angela Prenger weitergeführten Arbeitsbereichs „Judentum be-greifen“ im Forum schenkte Ulrike Offenberg zwei hebräische Bücher: „Die Propheten“,1814 in London gedruckt, und „Die Geschichte des Jüdischen Krieges“ von Josephus Flavius in einer Ausgabe von 1855.

 

Das Forum hatte Exemplare von „Durch das Jüdische Leben“ in Kommission, die – signiert von Rabbinerin Offenberg – bald ausverkauft waren. v.l. Johannes Wiemker, Simon Göhler, Ulrike Offenberg , Angela Prenger

Das Forum freute sich über die Anwesenheit eines Reporters der Ems-Vechte-Welle. vgl. den Podcast der Ems-vechte-Welle: https://www.emsvechtewelle.de/rabbinerin-klaert-mit-neuem-buch-durch-das-juedische-jahr-in-lingen-ueber-juedische-traditionen-auf/

Justin Ullrich von der evw interviewt Ulrike Offenberg.