Zum ersten „Lehrhausgespräch“ nach langer Coronapause konnte das Forum Juden-Christen etwa vierzig Zuhörerinnen und Zuhörer begrüßen. Im Gemeindesaal der evangelischen Johanneskirchengemeinde kündigten Simon Göhler für das Forum und Dr. Kerstin Dälken für den mit veranstaltenden Lingener Anwaltsverein den Düsseldorfer Juristen und Autor Karl-Heinz Keldungs an.

Keldungs referierte über den Missbrauch des Rechts, den die Nazis sofort nach der Machtübertragung an Adolf Hitler begannen. Bereits vor dem „Ermächtigungsgesetz“ wurden die Bürger- und Menschenrechte der Weimarer Reichsverfassung mit Hilfe des Reichspräsidenten von Hindenburg eingeschränkt. Keldungs widersprach einflussreichen Historikern, die den Brand des Reichstagsgebäudes am 27.2.1933 dem ehemaligen Kommunisten Marinus van der Lubbe zuschrieben. Keldungs verwies darauf, dass van der Lubbe, faktisch blind, unmöglich in der Lage gewesen sei, das Gebäude in Brand zu setzen. Es habe bereits vor dem Brand Verhaftungslisten gegeben. Für Keldungs steht fest, dass die Nazis selbst die Brandstifter waren, um Hindenburg zum Verbot von Demonstrationen von Hitlergegnern und zur Vernichtung der KPD zu veranlassen. Mit der „Lex van der Lubbe“ begingen die Nazis offenen Rechtsbruch, indem sie nachträglich die Todesstrafe für Brandstiftung verfügten und damit den Grundsatz „Keine Strafe ohne Gesetz“ außer Kraft setzten.

Foto: Simon Göhler

Mit dem „Ermächtigungsgesetz“, dem nur die noch nicht verhafteten SPD- Abgeordneten widersprachen, wurden die rechtlichen Maßnahmen gegen politische Gegner und jüdische Menschen verschärft.

Keldungs zeichnete nach, wie die Nazis und sie unterstützende einflussreiche Rechtsgelehrte nach und nach jüdische Menschen entrechteten, lange bevor der Völkermord an den europäischen Juden ins Werk gesetzt wurde. Der Referent verwies darauf, dass viele in der Zeit des Naziterrors einflussreiche Spitzenjuristen nach 1945 Karriere machten. So war der Chef des Kanzleramtes von Konrad Adenauer, Hans Globke, in der Nazizeit als Kommentator der verbrecherischen „Nürnberger Gesetze“ hervorgetreten.

Dem Vortrag folgte eine mehr als einstündige Diskussion, in der es neben der Schuld von Juristen auch die von Ärzten oder Pädagogen sowie deren Nachkriegskarrieren ging. Auf das Versagen der großen christlichen Kirchen gegenüber den Mördern im Staatsamt machten Theologinnen aufmerksam.