Das Forum hatte seit 2018 gefordert, dass die die Zeit des Naziterrors in Lingen wissenschaftlich aufgearbeitet wird. Das ist erforderlich, weil zum 1000. Stadtjubiläum nicht auf die jüdische Geschichte der Emsstadt eingegangen wurde. Zum Stadtjubiläum zur Feier der 1050. Jahrestages 2025 wird ein Sammelband mit Beiträgen zur Stadtgeschichte Lingens in der NS-Zeit erscheinen. Mit dabei ist der ehemalige Kreisarchivar und langjährige Schriftführer des Forums, Heiner Schüpp. Unter dem Titel „Propaganda, Plätze, Praktiken. Die Lingener Stadtgesellschaft auf dem Weg in die ,NS-Volksgemeinschaft?“ hielt Schüpp einen Vortrag.

Die Entscheidung von Simon Göhler, Vorsitzender des Forums zu diesem Lehrhausgespräch den Gedenkort Jüdische Schule zu verlassen und auf den Vortragssaal des Emslandmuseums auszuweichen, erwies sich als guter Griff. Bis auf den letzten Platz war der Saal gefüllt, als Simon Göhler Heiner Schüpp und die Gästeschar begrüßte.

Göhler ging auf das 1000. Stadtjubiläum 1975 ein. Die Jüdin Helga Hanauer hatte seinerzeit der bis dahin mangelhaften Gedenkkultur in Lingen durch zwei Leserbriefe einen deutlichen Schub gegeben, der in der Setzung des Gedenksteines an die 1938 vernichtete Synagoge mündete. Hanauer hatte bemängelt, dass in Reden und Publikationen der Beitrag der durch die Nazis vertriebenen oder ermordeten jüdischen Bevölkerung zur Entwicklung Lingens nicht gewürdigt wurde.

Heiner Schüpp stellte als „Werkstattbericht“ Forschungsergebnisse zur Nazipropaganda in Lingen vor. Die drei 1933 in Lingen erscheinenden Zeitungen waren ebenso rasch unter die Vorherrschaft der Nazis gebracht wie das öffentliche Leben. Straßen wurden nach Nazigrößen benannt, so wurde der Marktplatz zum „Adolf-Hitler-Platz“. „Straßen und Plätze nach Lebenden zu benennen, war ungeheuerlich“, so Schüpp. Bis dahin wurden nur Verstorbene durch Straßenbenennungen geehrt.

Regelmäßige Aufmärsche, bei denen die „Volksgenossen“ zur Teilnahme und zur Hakenkreuz-Beflaggung genötigt wurden, seien dem Referenten zu Folge auch ein Versuch gewesen, die prozessionsgewohnte katholische Einwohnerschaft zu beeindrucken.

In der anschließenden Diskussion ging es unter anderem um die Einschätzung Schüpps, derzufolge die Autoren eines wissenschaftlichen Sammelbandes zum Stadtjubiläum 1975 die ebenfalls ausgesparte Nazizeit angesichts einer nicht erschlossenen Quellenlage nicht berücksichtigen konnten.

Simon Göhler dankte dem Referenten mit einem Schalomstein. Solche Steine gestaltet der Lingener Künstler Mudde van Duren, der unter seinem bürgerlichen Namen Josef Möddel Gründungsvorsitzender des Arbeitskreises Judentum-Christentum war, aus dem das Forum hervorging. Der Schalomstein wurde von einem Meditationstext in Form einer stilisierten Thorarolle begleitet. Foto fwp