Über die Beiträge von Helga Hanauer und Ruth Foster-Heilbronn zur Erinnerungskultur in Lingen informierte sich „Team 29“, die Katholische Frauengemeinschaft (kfd) aus Lingen-Darme. Die Stellvertretende Vorsitzende des gastgebenden Forum Juden-Christen, Angela Prenger, stellte der Gruppe die Ziele des Forums vor. Dr. Walter Höltermann, wie Prenger Stv. Vorsitzender, berichtete mit Unterstützung von Mechthild Pölking-Oeßelmann über Leben und Wirken von Helga Hanauer (1940-1976). Ihr Vater, der Lingener Gustav Hanauer, floh als lebensbedrohter Jude 1938 in die Niederlande. Er heiratete dort und wurde Vater zweier Töchter. Als die Nazis die Niederlande überfielen, musste sich die Familie verstecken. Während die Eltern in Erdlöchern überlebten, wurden Helga Hanauer und ihre kleinere Schwester Carla von katholischen Ordensfrauen versteckt. 

Während Gustav Hanauer aus Heimweh nach dem Sieg über die Nazis nach Lingen zurückkehrte, blieb seine Ehefrau mit inzwischen weiter geborenen Kindern in Enschede. Helga und Carla folgten ihrem Vater, dem von nazidurchsetzten Behörden in Stadt und Kreis Lingen Steine in den Weg gelegt wurden.

Als die Stadt Lingen 1975 ihr 1000jähriges Bestehen feierte, kritisierte Helga Hanauer in zwei Leserbriefen das Fehlen von Hinweisen über 250 Jahre jüdisches Leben in der Stadt. Diese führten dazu, dass 1976 ein Gedenkstein zur Erinnerung an die 1938 vernichtete Synagoge errichtet wurde. Der Stein steht heute nahe dem Synagogenstandort auf dem Gelände des Gedenkortes Jüdische Schule. Den Erfolg ihrer Erinnerungsforderung konnte die zuvor verstorbene Helga Hanauer nicht mehr erleben.

Die kfd- Gruppe. Im Hintergrund v.l.Hanns-Joachim Schmitz, Mechthild Pölking-Oeßelmann, Angela Prenger, Walter Höltermann, Martina Risse.

Auch der zweite Gedenkstein an der Jüdischen Schule geht auf das Wirken einer Frau zurück. Im Jahre 1984 rief die in Großbritannien lebende Ruth Foster bei der Stadt Lingen an und bemängelte, dass es in der Emsstadt keine Erinnerung an die ermordeten oder geflohenen jüdischen Familien gebe. In der Folge wurden neben der späteren Ehrenbürgerin viele andere Überlebende der rassistischen Vernichtungspolitik der Nazis nach Lingen eingeladen, darunter auch der spätere wichtige Zeitzeuge und ebenfalls Ehrenbürger Bernhard Grünberg (1923- 2021). Der vom Lingener Künstler Friedel Kunst geschaffene „Familienstein“ geht auf ein erstes Treffen der Überlebenden zurück. Ruth Foster gab Hinweise für die Gestaltung der hebräischen Inschrift.

Dass Ruth Foster sich zur Versöhnung mit ihrer Geburtsstadt bereit erklärte, grenzt nach den Worten von Friedhelm Wolski- Prenger vom Forum, der diese Zeitzeugin vorstellte, an ein Wunder. Als Ruth Heilbronn in der Lingener Kaiserstraße geboren, begleitete sie ihre Eltern Caroline und Wilhelm bei deren Verschleppung in das „Reichsjudenghetto“ Riga. Sie musste miterleben, wie ihr Vater in Riga wegen eines Stücks Brot vor ihren und ihrer Mutter Augen ermordet wurde und wie ihre Mutter im KZ Stutthoff an Typhus und an der unmenschlichen Behandlung der Nazi-Schergen starb. Ebenfalls an Typhus erkrankt, überlebte Ruth Heilbronn. 1945 nach Lingen zurückgekehrt, lernte sie einen jüdischen Stabsarzt der britischen Armee kennen. Als Ehefrau von Adolfo Freudenheim, später Foster folgte sie diesem nach Großbritannien.

Neben den engagierten kfd- Frauen aus Darme, die ihr Interesse am Thema bekundeten, stellte auch Hanns-Joachim Schmitz, Gast von Walter Höltermann, sein Interesse an der Erinnerungskultur dar. Er berichtete vom jüdischen Leben in seiner Heimatstadt Mönchengladbach.

kfd Sprecherin Martina Risse dankt Angela Prenger und ihrem Team. Im Hintergrund die Erinnerungstafel für Ruth Foster- Heilbronn und Helga Hanauer. Fotos: fwp