Die 1906 in Hannover geborene und in Königsberg aufgewachsene Hannah Arendt studierte 1924 bis 1928 Philosophie, Theologie und Klassische Philologie in Marburg, Freiburg und Heidelberg. 1933 wurde sie als Jüdin kurzzeitig inhaftiert und floh nach Paris. 1941 ging es weiter über Lissabon in die USA. Dort schrieb sie für jüdische Zeitschriften, arbeitete als Lektorin und engagierte sich bei der Rettung jüdischen Kulturguts. Nach dem Sieg über den Naziterror blieb sie in New York, besuchte aber wiederholt Deutschland. 1955 erschien ihr Buch Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft auf Deutsch, 1960 ihr Buch Vita activa oder Vom tätigen Leben. Bis heute sehr bekannt ist ihr Bericht Eichmann in Jerusalem über den Prozess gegen den Cheforganisator der Schoa. Ab 1967 hatte sie eine Professur an der New School for Social Research in New York inne. Für Arendt war die eigene Urteilsbildung gleichbe­deutend mit politischem Handeln: ‘Nicht mitmachen, selbst urteilen’, zu einer leben­digen Demokratie gehöre das eigene Urteil, besonders wenn es der Mehrheit wider­spreche.

Diese Frau hatte den Lingener Künstler Peter Lütje (Foto) beeindruckt. Wie er bei der Prä­sentation seines Werkes ausführte, müssen Frauen verstärkt in den Fokus der Öf­fentlichkeit gestellt werden. So schuf er, finanziert durch eine Sponsorengruppe, eine Hannah-Arendt-Büste in Bronze. Diese steht nun auf einer ebenfalls von Lütje auf­gemauerten Stele neben dem schmiedeeisernen, vom Lingener Ehrenbürger und Schoa- Überlebenden Bernhard Grünberg gefertigten Eingangstor zum Gedenkort Jüdische Schule. Sie soll als Dauerleihgabe dort ihren Platz als weiteres Zeichen der Erinnerung an die Bedeutung des unverzichtbaren jüdischen Beitrages zur Wissen­schaft finden.

Der Vorsitzende des Forums Juden-Christen Altkreis Lingen, Dr. Heribert Lange, führte in der öffentlichen Vorstandssitzung des Forums zur Vorstellung der Büste am 23. Mai 2020, dem 71. Jahrestag des Grundgesetzes aus: „Wir sind Ihnen, den Sponsorinnen und Sponsoren, sehr dankbar, dass Sie diese Idee realisiert, also den Ankauf des Werks für das Forum besorgt und damit ein unübersehbares Zeichen für die Sinnhaftigkeit von Erinnerung und Erinnerungskultur geschaffen haben – und zwar im räumlichen Kontext mit dieser Gedenkstätte und im geistigen Kontext mit der Erinnerungsarbeit.“ An den Künstler gerichtet schloss Lange: „ ‘Alle Künste’ , lieber Pe­ter Lütje – so hat es neulich der Philosoph Wilhelm Schmid gesagt – ‘sind Brücken über Abgründe. Die Ideen dazu wurden bei vielen Künstlern aus der Erfahrung der Ab­gründigkeit heraus geboren.’ Deine Idee, diese Büste von Hannah Arendt zu schaf­fen, und sie hier an diesem Ort zu platzieren, gemahnt uns, der Abgründe, vor allem der Abgründe des Geistes in Menschengesellschaften immer weiter gewärtig zu sein und uns ihrer immer weiter zu erinnern. Hannah Arendts Werk ist eine Apologie der Erinnerung und Hannah Arendt ist auf solche Weise Patin unserer Erinnerungsarbeit und der unserer Nation aufgetragenen Gedenkkultur – nicht irgendwie und irgendwo, sondern hier und jetzt!“

Die Sponsoren sind Georg Aehling, Annette Höing, Walter Höltermann, Annette Koop, Doris Lange, Peter Leuschner und Bernhard Merswolke

Fotos: Friedhelm Wolski-Prenger

Vgl. auch den Bericht von Thomas Pertz in der Lingener Tagespost:

http://www.noz.de/lokales/lingen/artikel/2057783/eine-patin-der-erinnerungs-und-gedenkkultur-in-lingen

Zur Zeit läuft eine Ausstellung zu Hannah Arendt im Historischen Museum Berlin: http://www.dhm.de/besuch-service.html

vgl. dazu auch den Bericht in der “Jüdischen Allgmeinen”: http://www.juedische-allgemeine.de/kultur/kein-recht-zu-gehorchen/