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Forum Juden-Christen eröffnete in Freren den Lernort Jüdisches Bethaus

Freren (pd) – Ständig soll sie brennen, die elektrische Kerze im Erdgeschoss des jüdischen Bethauses in Freren. Sie erhellt eine Metallplatte mit 30 Namen – die Mitglieder der ehemaligen Synagogengemeinde Freren-Lengerich. Unter fast allen Namen steht: „ermordet in Auschwitz”, „ermordet in Dachau”, „ermordet in Theresienstadt”. Auch für Samuel Manne gibt es eine kleine Tafel: Er wurde zwar in diesem Haus geboren, aufwachsen konnte er hier aber nicht. Nur drei Jahre alt, starb Samuel qualvoll im Konzentrationslager. Über sein Schicksal, die Geschichte der Frerener Juden, aber auch den Reichtum jüdischer Kultur will der neue Lernort „Jüdisches Bethaus” erzählen – und damit Zeichen setzen. Vor über 220 Gästen eröffnete das Lingener Forum Juden-Christen (siehe auch „Hintergrund) jetzt das Gebäude mitten in Freren. „Es soll ein Ort des Lernens und Lehrens sein”, sagte Vorsitzender Reinhold Hoffmann. „Hier soll das Judentum erfahrbar werden.”

Bundesinnenminister Schily sagte kurzfristig ab

Mehr als zwei Jahre hatte sich das Forum für den Erhalt und die Sanierung des Bethauses engagiert. Hoffmann freute sich an diesem Sonntag daher über das große Interesse der Frerener an dem neuen Lernort – obwohl er zu kb-02-05-04 Beginn eine Enttäuschung verkraften musste. Bundesinnenminister Otto Schily als prominentester Gast sagte kurz vor der Eröffnung wegen einer dringlichen Sitzung in Berlin ab. Schily wolle seinen Besuch nachholen, sagte Hoffmann. Er bedankte sich bei allen, die das Projekt finanziell und tatkräftig ermöglicht hatten.

Der neue „Lernort” soll laut Hoffmann nicht nur von Zerstörung und Leid erzählen, er soll auch Brücken schlagen. „Wir wollen hier den Dialog zwischen Christen und Juden fördern und fordern.” Jüdische Gottesdienste, Ausstellungen, Kurse, Führungen und Forschungsarbeiten sollen Menschen unterschiedlicher Religionen und Konfessionen zusammenführen.

Mit bewegenden Worten berührte Renee Manne die Zuhörer. Ihre Eltern hatten bis 1938 in dem Haus gewohnt und waren von den Nazis deportiert worden. Mit ihrer Schwester Eva reiste sie jetzt aus ihrer Heimat in Schweden nach Freren und erzählte vom Lebensmut ihrer vor zwei Jahren verstorbenen Mutter. „Wenn ich dieses Haus sehe, hoffe ich, dass sie es im Himmel segnen wird. Dann hat dieses Haus die beste Stützerin, die man sich vorstellen kann.”

Haus der Toleranz über Religionsgrenzen hinweg

Respekt für das unermüdliche Engagement zollte Astrid Vockert, Vizepräsidentin des Niedersächsischen Landtags. „Das Haus steht dafür, dass Toleranz über Religionsgrenzen notwendig, aber auch möglich ist.” Künftig würden anstelle von Zeitzeugen immer mehr Zeitzeugnisse treten. „Erinnern heftet sich an Orte wie in Freren.”

„Wirklich wunderbar” fand Michael Grünberg, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Osnabrück, die Eröffnung des Lernortes. Er war mit einer großen Gruppe nach Freren gekommen: der Chor „Shalom” begeisterte die Zuhörer. Wenige Tage zuvor hatte er mit Rabbiner Marc Stern einen jüdischen Gottesdienst in dem Bethaus feiern können: der erste seit der Pogromnacht vor fast 66 Jahren. Als die Tora einzog, läuteten die Glocken der evangelischen und katholischen Kirchen. „Dieser Gottesdienst steht für einen Neuanfang”, erklärte Grünberg. Er betrachtete das Haus als „kleinen Meilenstein zu einer friedlichen und toleranten Gesellschaft.”

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