Sara Ruth Schumann: Begegnung nicht nur über Grabsteinen – Empfang
Lingen/Freren/Lengerich (lj)
,,Es ist wichtig, dass wir uns begegnen. Nicht nur auf Friedhöfen über Grabsteinen, sondern von Angesicht zu Angesicht.” Das erklärte die stellvertretende Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen, Sara Ruth Schumann, bei einem Empfang der Stadt Lingen im Historischen Rathaus.
Vor dem Treffen mit der Ersten Bürgermeisterin Ursula Ramelow, Vertretern der Ratsfraktionen von CDU und SPD sowie Mitgliedern des Forums Juden-Christen Altkreis Lingen e.V. hatte Frau Schumann verschiedene Zeugnisse jüdischen Lebens im Altkreis Lingen aufgesucht.
In Freren besichtigte sie in Begleitung von Samtgemeindebürgermeister Godehard Ritz und Vertretern des Forums das von der Jüdischen Gemeinde Osnabrück erworbene jüdische Bethaus, das zu einer Stätte der Begegnung werden soll. ,,Ich bin sicher, dass Sie das hinkriegen werden”, zollte sie dem Forum ein großes Lob für die vielfältigen Bemühungen. Außerdem ging sie über den jüdischen Friedhof und nahm die Samuel-Manne-Geschichtswerkstatt im Kulturzentrum ,,Alte Molkerei” in Augenschein. Die Geschichtswerkstatt wird vor allen Dingen von Schulklassen besucht, was Frau Schmumann außerordentlich begrüßte.
In Lengerich versammelte sich die Delegation um den Gedenkstein für die ehemaligen jüdischen Mitbürger Lengerichs im Bürgerpark. Gerd Sels erläuterte die Geschichte der jüdischen Familien in dem Ort. Pastor Alfred Mengel stellte dem Gast die reformierte Kirche vor. In Lingen schaute sich Frau Schumann die als Gedenkstätte dienende Jüdische Schule an. Der Leiter des Emslandmuseums, Dr. Andreas Eiynck, informierte über die ehemalige Jüdische Gemeinde der Stadt.
Erfreut zeigte sich Frau Schumann, die auch Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Oldenburg ist und dem Direktorium des Zentralrates der Juden in Deutschland angehört, über das starke Wachstum der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen. Allein in Osnabrück gehören etwa 1000 Menschen zur jüdischen Gemeinde. Viele Menschen jüdischen Glaubens sind in den letzten Jahren aus der ehemaligen Sowjetunion nach Niedersachsen gekommen.
Beim Thema ,,Bethaus” in Freren schlug die Repräsentantin der jüdischen Gemeinde vor, aus dem Gebäude einen Ort des Lernens (,,Lehrhaus”), nicht nur über das Judentum, sondern auch über andere Kulturen zu machen. ,,Dies wäre im besten Sinne jüdischer Tradition”, sagte Frau Schumann. Das Gedenken an die ermordeten jüdischen Familien im Altkreis Lingen habe bei ihr große Wehmut hervorgerufen.
Reinhold Hoffmann, Vorsitzender des Forums Juden-Christen, unterstrich die Notwendigkeit, nicht nur über den Holocaust, sondern über das Judentum insgesamt zu informieren. ,,In Lingen finden wir bei diesem Thema bei der Stadt und den Fraktionen immer mehr ein offenes Ohr”, sagte Hoffmann. Er erneuerte die Einladung an alle Ratsmitglieder, nach Möglichkeiten zu suchen, um die Jüdische Schule noch mehr mit Leben zu erfüllen. Nach seinen Angaben haben sich in diesem Jahr bereits rund 650 Menschen – die meisten von ihnen Jugendliche – ins Gästebuch dieser Gedenkstätte eingetragen.
Die Erste Bürgermeisterin Ursula Ramelow verwies auf die Verpflichtung, an das jüdische Leben in Lingen zu erinnern. Es gelte, allen Formen von Diskriminierung konsequent entgegenzutreten. Die Jugend brauche öffentliche Zeichen, um sich dieser Aufgabe bewusst zu sein, meinte die Erste Bürgermeisterin.