Landtagsvizepräsidentin Vockert: Es darf keinen Schlussstrich geben – Bundesinnenminister Otto Schily musste kurzfristig absagen
Von Thomas Pertz
Freren
„Ich hoffe, dass meine Mutter im Himmel dieses Haus segnen wird“, sagte Renée Manne am Sonntag bei der Einweihung des Lernortes Jüdisches Bethaus in Freren. „Wenn sie es tut, hat dieses Haus die beste Stützerin, die man sich vorstellen kann“, betonte die Schwedin.
Sie und ihre Schwester Eva, deren Eltern bis zu ihrer Vertreibung in dem Haus in der Grulandstraße gewohnt hatten, gehörten zu den über 220 Gästen des Forums Juden-Christen im Altkreis Lingen. Der prominenteste unter ihnen musste seine Teilnahme allerdings kurzfristig absagen. Wegen einer dringlichen Sitzung blieb Bundesinnenminister Otto Schily in Berlin.
Die Absage erreichte den Vorsitzenden des Forums, Reinhold Hoffmann, drei Stunden vor Beginn der Veranstaltung. Der Büroleiter des Ministers habe sein Bedauern darüber ausgedrückt, sagte Hoffmann. Schily habe aber sein Versprechen erneuert, noch in diesem Jahr das jüdische Bethaus in Freren zu besuchen.
Paul Spiegel, Vorsitzender des Zentralrates der Juden in Deutschland, habe einmal gesagt, dass das Judentum mehr sei als der Holocaust, sagte Hoffmann in seiner Begrüßungsrede. „Wir wollen in diesem Haus Judentum erfahrbar machen“, unterstrich der Vorsitzende, der sich in den vergangenen zwei Jahren mit hohem persönlichen Einsatz für die Erhaltung und Sanierung des Bethauses eingesetzt hatte.
Hoffmann dankte allen, die zum Gelingen des ehrgeizigen Projekts beigetragen hatten, insbesondere Landrat Hermann Bröring. Der Landkreis habe sich nicht nur finanziell beteiligt, sondern sich auch immer wieder in Gesprächen mit Stiftungen, zum Beispiel der Johann-Alexander-Wisniewsky-Stiftung, und anderen Stellen für die Sanierung des Gebäudes eingesetzt.
Ein Gebäude, in dem auch Eva und Renée Manne hätten aufwachsen können, wenn die Nationalsozialisten ihre Biografie nicht gewaltsam umgeschrieben hätten. Sie kamen in Schweden zur Welt, wo sich ihre Eltern, die den Holocaust im Gegensatz zu ihrem Bruder Samuel überlebt hatten, nach dem Krieg eine neue Existenz aufbauten. In bewegenden Worten sprach Renée Manne auch im Namen ihrer Schwester Eva von ihrer Familie, insbesondere der Mutter Erika. Sie starb vor zwei Jahren. Ihre Mutter habe trotz der schweren Zeit, die sie durchlitten habe, nie den Lebensmut verloren.
Frerens Bürgermeister Klaus Prekel erinnerte in seiner Ansprache zunächst an die Verdienste von Lothar Kuhrts. Der Pädagoge habe in seiner 25-jährigen Forschungsarbeit die Bürger in Freren und darüber hinaus für die Geschichte der jüdischen Gemeinde sensibilisiert. Darauf hätten das Forum Juden-Christen und die jüdische Gemeinde Osnabrück aufgebaut. „Das jüdische Bethaus gehört nun wieder zu Freren. Freuen wir uns alle auf die Besucher des Hauses.“
Astrid Vockert, Vizepräsidentin des Landtages, sprach von einem „ermutigenden Zeichen bürgerschaftlichen Engagements, mit welchem Erfolg Sie sich hier in Freren für die regionale Erinnerungskultur, für den Dialog der Religionen und damit auch für den Frieden einsetzen“. Dieser Lernort Jüdisches Bethaus stehe dafür, dass das Lernen nicht aufhören dürfe, erklärte die CDU-Politikerin weiter. Nach wie vor gebe es in Deutschland judenfeindliche Äußerungen, Versuche der Geschichtsverfälschung oder Forderungen, doch einen Schlussstrich unter die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus zu ziehen. Einen solchen Schlussstrich dürfe es aber niemals geben.
Nach den Worten der Lantagsvizepräsidentin ändert sich allmählich die Form der Erinnerung, da die Generation der Zeitzeugen zu Ende geht. „Die Erinnerung wird sich zunehmend an Orte wie das Bethaus hier in Freren und an andere Quellen heften“, hob Frau Vockert die Bedeutung des Gebäudes hervor.