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eine Zeitreise durch jüdische Geschichte in Lingen (Teil 2)

1978 bis 2028: Arbeitskreis Judentum-Christentum und Stadt Lingen setzen durch großes Engagement Maßstäbe

Lingen im Jahr 1978

40 Jahre sind vergangen, seitdem Jakob Wolff vor den Trümmern der Synagoge stand und für einen Moment den Blick auf die unversehrte jüdische Schule ruhen ließ. In Lingen gibt es keine jüdische Gemeinde mehr. Nur wenige Juden haben den Holocaust überlebt. Sie wohnen heute in Großbritannien oder in den USA. Die meisten Familien wurden ausgelöscht – in Auschwitz, Riga, Theresienstadt…

Der Blick auf den kleinen Schulbau der jüdischen Gemeinde ist inzwischen durch eine Häuserzeile am Gertrudenweg verwehrt. Das neben dem jüdischen Friedhof einzige noch sichtbare Zeugnis der jüdischen Geschichte in Lingen droht zu zerfallen. Nachzulesen ist diese Geschichte auch nirgendwo. Die Stadt Lingen hat zwar einen opulenten Wälzer über ihre 1000jährige Geschichte von 975 bis 1975 herausgegeben, aber darin mit keiner Zeile das tief in der Stadt verwurzelte und erst durch die Nationalsozialisten zerstörte jüdische Gemeindeleben erwähnt.

Doch inzwischen machen sich erste Zeichen des Wandels im Umgang mit der eigenen Geschichte bemerkbar. Am 15. November 1977 hatte die Stadt Lingen auf einem unbebauten Grundstück im Häuserdreieck Gertrudenweg/Konrad-Adenauer-Ring einen Gedenkstein zur Erinnerung an die Zerstörung der Synagoge aufgestellt.

Lingen im Jahr 1998

Seit 1989 heißt der Gertrudenweg Synagogenstraße. Doch nicht nur dies kennzeichnet das Bemühen in Lingen, mit der Vernichtung der Juden im Dritten Reich nicht auch noch die Erinnerung an sie auszulöschen. Treibende Kraft ist der Arbeitskreis Judentum-Christentum. Seine Mitglieder haben nicht vergessen, was hinter dem Häuserdreieck am Konrad-Adenauer-Ring verborgen lag – ein einfaches Bauwerk von hohem historischem Wert. Dank enormer finanzieller Anstrengungen der Stadt kommt die ehemalige jüdische Schule in den Besitz der Kommune – und damit ihrer Bürger, die sich dem Gebäude und seiner Geschichte verbunden fühlen. So war denn auch der 8. November ein großer Tag für die Stadt Lingen, als der Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, die restaurierte Schule an der Jakob-Wolff-Straße (vormals An der Kokenmühle) persönlich einweihte.

Lingen, 7. November 2028

Am Hanauerplatz in Lingen sind die Arbeiten der Handwerker beendet. Die neue Synagoge in der Innenstadt erstrahlt in schlichtem Glanz. Morgen feiert die jüdische Gemeinde in Lingen auf der Wilhelmshöhe die Einweihung des Gebetshauses und gleichzeitig den 150. Jahrestag der Errichtung der ersten Synagoge und der jüdischen Schule am damaligen Gertrudenweg.

Nach der Jahrtausendwende war von Osteuropa aus ein verstärkter Zuzug von Menschen jüdischen Glaubens nach Deutschland erfolgt, von denen sich auch eine ganze Reihe im südlichen Emsland niederließ. Sie schlossen sich in Lingen zu einer Gemeinde zusammen. Rat und Verwaltung stellten ihr ein Grundstück zur Verfügung, auf dem sie ihre Synagoge bauen konnte.

100 Jahre nach dem Spaziergang von Jakob und Emma Wolff vom Markt durch die Lookenstraße Richtung Synagoge und Schule sind Juden in Lingen wieder ein Teil der Bürgerschaft. Die Stadt erlebt ein neues Kapitel ihrer Geschichte.

Bilder aus unbeschwerten Kindertagen in Lingen: Bernhard Grünberg und Ruth Heilbronn (heute Foster), die ihre Familien im Holocaust verloren.

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