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Mit kühlem Kopf und heißem Herzen

Von Thomas Pertz

In der Grulandstraße in Freren ist die jüdische Geschichte an fast jeder Häuserecke greifbar. Hier haben Menschen dieses Glaubens bis zur Vertreibung und Vernichtung durch die Nationalsozialisten gelebt und gearbeitet. Meistens waren sie Viehhändler und Schlachter. Die Eisenringe an der Kirchenmauer, wo die Tiere auf dem Viehmarkt angekettet wurden, sind heute noch vorhanden.
Vor diesem Hintergrund sind die Bemühungen des Forums Juden-Christen, das ehemalige Jüdische Bethaus wieder ,,zum Sprechen” zu bringen, von unschätzbarem Wert. Jungen Menschen das Bewusstsein von Gräueltaten an sechs Millionen Juden zu vermitteln, ist angesichts der unvorstellbaren Zahl der Opfer sehr schwierig. Ihnen die Fenster zu zeigen, aus denen in der Reichspogromnacht 1938 religiöse Gegenstände der jüdischen Gemeinde auf die Grulandstraße geworfen wurden, ist dagegen ganz einfach.
Solchen Chancen stehen aber derzeit auch Unsicherheiten gegenüber. So wichtig die politische und finanzielle Unterstützung des Vorhabens auch ist, damit nach dem Erwerb des Hauses die Sanierung realisiert werden kann, ist eines angesichts der Diskussionen hinter den Kulissen jetzt noch bedeutsamer. Dem Forum um seinen mit enormen Einsatz agierenden Vorsitzenden Reinhold Hoffmann muss es gelingen, auch in den Köpfen der Bevölkerung Zustimmung zu bekommen.
Hier tun sich, so ist zu hören, vereinzelte Kritiker in Freren schwer, die Pläne des Forums mitzutragen, weil sie befürchten, dass die finanzielle Unterstützung des Vorhabens durch Dritte letztlich auf ihre eigenen Kosten gehen könne. Beide Seiten sind hier gefordert, aufeinander zuzugehen.
Das Forum muss, wie es auch bereits geschehen ist, klarmachen, dass im Bethaus keine neue Bildungseinrichtung entsteht, die in Konkurrenz zu anderen treten könne. Und Kritiker sollten im Interesse aller tunlichst darauf verzichten, womöglich gar noch in ,,Möllemannscher Manier” Stimmung gegen das Projekt zu machen. In einer solchen Debatte würden sie selbst ebenfalls Schaden nehmen. Damit ist aber niemanden gedient.
Wenn alle Beteiligten zwar mit heißem Herzen, aber auch mit kühlem Kopf agieren, dann wird es am Ende in Freren und weit darüber hinaus nur Gewinner geben. Das Bethaus in der Grulandstraße hätte zwischen den beiden Kirchen seinen Platz als Ort der Begegnung von Menschen wiedergefunden, die das Wort Toleranz nicht bloß auf den Lippen tragen.

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