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Eindrucksvolle Lesung mit Lea Rosh gestern im Franziskus-Gymnasium

Lingen (pe)
Gegen das Vergessen: Dieser Aufgabe hat sich Lea Rosh mit ihrer ganzen Persönlichkeit verschrieben. Gestern las die bekannte Fernsehjournalistin im Lingener Franziskus-Gymnasium aus ihrem gemeinsam mit dem Historiker Eberhard Jäckel verfassten Buch ,,Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“ vor. Der Titel stammt aus dem Gedicht ,,Todesfuge“ des jüdischen Lyrikers Paul Celan. Er fasst in wenigen Worten eigentlich Unfassbares zusammen: die Deportation und den millionenfachen Mord an Juden in Europa.

Die 1936 in Berlin geborene Journalistin wurde am Dienstag im Gymnasium von Rektor Johannes Pruisken und dem Vorsitzenden des Forums Juden-Christen, Reinhold Hoffmann, begrüßt. Lea Rosh sprach vor rund 200 Schülerinnen und Schülern des 11. und 12. Jahrgangs. Letztere beschäftigen sich zurzeit mit dem Dritten Reich im Geschichtskurs. Die Jahrgangsstufe 11 thematisiert im Deutschunterricht Lessings ,,Nathan der Weise“, ein Werk, das sich in der berühmten Ringparabel mit den drei Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam auseinandersetzt.

,,Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“ wurde 1990 veröffentlicht. Davor waren nach fünfjährigen Recherchen von Lea lt-07-05-03Rosh und Eberhard Jäckel vier Fernsehfilme zum Thema Deportation und Ermordung der Juden in Europa entstanden. Wichtiger Bestandteil der Filme und des Buches war auch die Frage nach den Gründen der Kollaboration, ohne natürlich die deutsche Urheberschaft zu verschweigen: ,,Deutsche Täter hatten in vielen Ländern Europas willige Helfer“, sagte die Autorin.

In ihrem Bericht, einer Mischung aus Buchlesung und Erzählung, nahm sie die jungen Leute gleichsam mit auf eine Reise in die dunkelste deutsche Vergangenheit. Aus verschiedenen Gründen, erklärte Lea Rosh, war es Hitler gelungen, europaweit Helfer zur totalen Auslöschung jüdischen Lebens zu finden. Den weit verbreiteten Antisemitismus nannte sie als Beispiel, zum Beispiel in Rumänien und Polen, aber auch Willfährigkeit und vorauseilenden Gehorsam.

Immer wieder berichtete sie aber auch von ,,grandiosen Geschichten an Menschlichkeit und Phantasie“, erzählte von Beispielen, wo viele tausend Juden durch Mut und Zivilcourage vor den Deportationen gerettet wurden. Etwa in Bulgarien. Dort hatte sich die orthodoxe Kirche als einzige Kirche in Europa den Nazis verweigert und damit 48 000 Juden das Leben gerettet.

Verbrechen solchen Ausmaßes, wie es die Vernichtung von sechs Millionen Menschen darstellte, werden auch durch Wegschauen möglich. Lea Rosh beschrieb die Tatenlosigkeit der Weltgemeinschaft, ,,die es gewusst und nichts getan hat“. Es sei kein Zufall gewesen, dass weder die Zufahrtsgleise nach Auschwitz, noch die Gaskammern dort bombardiert worden seien. Auch in der amerikanischen Regierung hätten Antisemiten gesessen.

Die Journalistin gab dem Schrecken und seinen Folgen für den einzelnen einen Namen, als sie über Lucia vorlas, einer Jüdin, die sie und Eberhard Jäckel im Rahmen ihrer Recherchen auf der griechischen Insel Rhodos besuchten. Dort hatten die Nazis am 22. Juli 1944, zwei Tage nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler, den letzten noch lebenden Juden erschossen, nachdem sie die ganze Insel sorgfältigst abgesucht hatten. Deutsche Gründlichkeit und Autoritätsgläubigkeit gehörten auch zu den Facetten Hitlerschen Rassenwahns, war die unausgesprochene Warnung der Berlinerin an die jungen Zuhörer. Und zugleich eine Aufforderung, blindem, gedankenlosen Gehorsam kritisch gegenüber zu stehen.

,,Beim Abschied nimmt mich Lucia in den Arm, obwohl ich Deutsche bin“, liest Lea Rosh vor. Lucia, deren ganze Familie den Nazis zum Opfer fiel, sah offensichtlich in der Besucherin das andere Deutschland.

Viel Beifall erhielt der Gast am Ende des Vortrags. Es sei eine Frage der Persönlichkeit und Mitmenschlichkeit gewesen, wenn sich Bürger widersetzt hätten, sagte Rektor Johannes Pruisken. Darauf habe Lea Rosh eindrucksvoll hingewiesen. Der Vorsitzende des Forums Juden-Christen, Reinhold Hoffmann, forderte die jungen Leute auf, sich weiterhin des Themas Nationalsozialismus anzunehmen. ,,Wir alle müssen wachsam bleiben“, mahnte Hoffmann.

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