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Mehr Verständnis zwischen Juden und Christen – Lob auch von Lea Rosh

Lingen (lj)
Der Osnabrücker Rabbiner Marc Stern war sichtlich gerührt: „Ich habe keine Worte, um meine Begeisterung für die Arbeit des Forums Juden-Christen im Altkreis Lingen zu beschreiben. Es setzt sich auf wunderbare Weise für die Versöhnung und das bessere Verständnis zwischen Juden und Christen ein.“ Vor 20 Jahren, am 5. April 1983, hatte Josef Möddel aus Lingen gemeinsam mit Jugendlichen der Kirchengemeinde St. Josef Lingen-Laxten den Arbeitskreis Judentum-Christentum ins Leben gerufen.

Der Rabbiner war wie weitere jüdische Bürgerinnen und Bürger am Dienstagabend Gast einer Feierstunde im Professorenhaus mit der Fernsehjournalistin Lea Rosh als prominenteste Teilnehmerin. Vor etwa 120 Besuchern begründete die Publizistin, weshalb das im Bau befindliche Denkmal in Berlin für die ermordeten sechs Millionen Juden Europas so wichtig ist. Frau Rosh setzt sich seit vielen Jahren für die Verwirklichung des Denkmals ein. Mit Erfolg: Am 25. Juni 1999 stimmte der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit zu. Zum Tragen kommt der Entwurf des amerikanischen Architekten Peter Eisenman.

Die Fertigstellung des eigentlichen Denkmals, das aus einem Feld mit 2700 Stelen besteht, ist im nächsten Jahr vorgesehen. Im Jahr 2005 soll der unterirdische „Ort der Information“ seiner Bestimmung übergeben werden. „Ich hoffe, zur Einweihung viele von Ihnen begrüßen zu können.“lt_08-05-03_1

In Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Yad Vashem in Israel sollen die Namen von viereinhalb Millionen ermordeten Juden sichtbar und über ein Tonband auch hörbar werden. Ziel ist es nach den Worten von Frau Rosh, die Namen aller ermordeten Juden zu erfahren. An dieser Aufgabe will auch das Forum Juden-Christen mitwirken. „Wir geben diesen Menschen ihre Namen zurück“, sagte die Journalistin.

Der Mord an sechs Millionen europäischen Juden in eigens dafür gebauten „Tötungszentren“ sei geschichtlich betrachtet ein solch ungeheures Verbrechen, dass es richtig sei, den davon betroffenen Menschen ein eigenes Denkmal zu widmen, meinte Lea Rosh. Sie sprach sich zugleich dafür aus, dass die anderen Opfergruppen ebenfalls eigene Erinnerungsstätten erhalten.

Ihr Vortrag kreiste vor allem um die Frage, warum in Deutschland die jüdischen Mitbürger in aller Öffentlichkeit deportiert und dann ermordet wurden, ohne dass christliche Nachbarn überhaupt den Versuch unternahmen, dieses zu verhindern. Ein von ihr herausgegebenes Buch über den Streit um das Denkmal trägt denn auch bezeichnenderweise den Titel „Die Juden, das sind doch die anderen.“ Mit diesen Worten hatte ein älterer Deutscher sein Nichtstun in der Nazizeit zu rechtfertigen versucht.lt-18-07-02_2

 In anderen, von den Nazis besetzten Ländern habe sich die Bevölkerung erfolgreich vor „ihre Juden“ gestellt und sie zum größten Teil gerettet. Frau Rosh nannte in diesem Zusammenhang Finnland, Bulgarien, Norwegen, Dänemark, Belgien, Frankreich und Italien.

Zum Schluss ihres Vortrags hörte man aus dem Munde der streitbaren Publizistin Versöhnliches. Mit der Entscheidung zum Bau des Denkmals bekenne sich eine Nation zu ihrem größten Verbrechen. Das habe es bisher nicht gegeben. Von der Arbeit des Forums Juden-Christen mit ihrem Vorsitzenden Reinhold Hoffmann an der Spitze zeigte sie sich außerordentlich beeindruckt.

Der Lingener Bürgermeister Günter Lobenberg bedankte sich beim Forum Juden-Christen für deren intensives Engagement für eine menschliche Gesellschaft und hob das enge Zusammenwirken mit dem Rat hervor. Sein Dank galt aber auch Lea Rosh, die sich seit Jahrzehnten für Versöhnung, Verständigung und Erinnerung einsetze.

Nach Auffassung von Lobenberg sollte nicht nur die Geschichte der Opfer, sondern auch die der Täter aufgearbeitet und dargestellt werden. „Was führte dazu, dass Menschen – auch in unserer Region – solche Gräueltäten begingen, unterstützten oder duldeten?“, fragte Lobenberg.

Reinhold Hoffmann sprach von einer bewegenden Zeit in den letzten 20 Jahren. „Eine Zeit, in der sich viele Menschen um die Aufarbeitung der jüdischen Geschichte unseres Raumes bemüht haben. Jahre der Recherchen, der mühevollen Kontaktsuche. Jahre, in denen uns von Juden trotz allen Leides, welches ihnen zugefügt wurde, die Hand gereicht wurde.“

In Israel gibt es einen Wald der deutschen Länder. Hier werden Bäume auch deshalb gepflanzt, um an herausragende Leistungen von Menschen zu erinnern. Entsprechende Urkunden verlieh Hoffmann an Anne Scherger, Pastor Wolfgang Becker und Gerd Sels. Josef Möddel und Lothar Kuhrts, die ebenfalls ausgezeichnet werden sollten, waren aus gesundheitlichen Gründen verhindert.

Anlässlich des Jubiläums äußerte Hoffmann noch einen besonderen Wunsch: Im Wald der deutschen Länder möge ein „Emslandhain“, bestehend aus 1000 Bäumen zum Stückpreis von zehn Euro, Gestalt annehmen. Während des Abends wurden bereits Bestellungen für 60 Bäume aufgegeben.

Lingens Stadtarchivar Dr. Ludwig Remling verwies darauf, dass es dem Arbeitskreis bzw. dem Forum gelungen sei, durch konsequente und zielstrebige Arbeit einen Bewusstseinswandel herbeizuführen. Er erinnerte an die Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Ruth Foster und Bernhard Grünberg, die beide jüdischen Glaubens sind, die Renovierung der Jüdischen Schule in Lingen, die Errichtung von Gedenksteinen auf dem Jüdischen Friedhof für das Ehepaar Wolf und die Eltern von Bernhard Grünberg, die Benennung von Straßen nach ehemaligen jüdischen Mitbürgern, die Aufklärungsarbeit an den Schulen sowie an die Gestaltung der jährlich wiederkehrenden Gottesdienste und Gedenkfeiern.

Musikalisch umrahmt wurde die Feierstunde von Friederike Schmidt (Flügel) und Christian Schmidt (Violine), den mehrfachen Preisträgern von „Jugend musiziert.“

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