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Deidre Berger, Geschäftsführerin des American Jewish Committee (Berlin), besuchte das Forum Juden-Christen

Lingen (th)
,,Es ist sehr bedeutend, was hier zur jüdischen Geschichte zusammengetragen und aufgearbeitet wurde,” betonte Deidre Berger, Geschäftsführerin des American Jewish Committee, Büro Berlin, während ihres Besuches in Lingen. Nach dem Empfang im Emslandmuseum waren der jüdische Friedhof, die einstige Schule am Konrad-Adenauer-Ring sowie das frühere Bethaus und die Geschichtswerkstatt Samuel Manne in der Alten Molkerei in Freren Stationen ihrer Reise.lt-07-08-02_1 lt-07-08-02_2

Im Kutscherhaus des Emslandmuseums, das über einen vielbeachteten Bestand an Judaica verfügt, begrüßte Oberbürgermeister Heiner Pott Frau Berger, die auf Einladung von MdB Monika Heubaum das Forum Juden-Christen besuchte. Neben Vertretern der Stadt, des Forums, der Jüdischen Gemeinde Osnabrück und Frau Heubaum nahmen MdL Elke Müller, MdB Dr.Hermann Kues etc. an dem festlichen Empfang teil.

,,Wir hätten uns eigentlich einen anderen Tag gewünscht”, erklärte Heiner Pott mit Hinblick auf die jüngste Freveltat auf dem jüdischen Friedhof, wo durch unbekannte Täter mehrere Grabsteine umgestürzt wurden. Er betonte: ,,Wir alle sind gefordert, den schlimmen Ereignissen zu begegnen, die uns an diesem Wochenende ereilt haben”. Heiner Pott lobte die engagierte Arbeit des Forums Juden-Christen, das sehr viel für die Aufarbeitung und Vermittlung der jüdischen Geschichte getan habe.

Deidre Berger bekräftigte die Notwendigkeit der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung solcher Vorfälle – über alle Parteigrenzen hinweg.
,,Man muss wach bleiben”, betonte sie; das gelte nicht nur für die Verantwortung für die Vergangenheit, sondern besonders auch für die notwendige Bewusstseinsbildung bei der Jugend. Sie finde es sehr beeindruckend, was an Aufarbeitung der Geschichte in Lingen und im Altkreis geleistet werde. Dem Forum Juden-Christen und allen anderen engagierten Mitbürgern wünschte sie weiterhin viel Erfolg.

Stadtarchivar Dr. Ludwig Remling gab Hinweise zur offiziellen Aufarbeitung der Jüdischen Geschichte nach 1975. Als seinerzeit die Stadt ihr 1000-jähriges Bestehen gefeiert habe, sei in der Festschrift und der Festrede die Geschichte der jüdischen Gemeinde überhaupt nicht erwähnt worden. In der Öffentlichkeit und den politischen Gremien sei erst durch Leserbriefe und durch Eingaben von Helga Hanauer, die in den Niederlanden im Untergrund überlebt habe und mit ihrem Vater nach dem Krieg nach Lingen zurückgekehrt sei, eine Diskussion in Gang gekommen.

Als Stationen der Geschichtsaufarbeitung nannte er die Aufstellung eines Gedenksteins für die 1938 von den Nazis zerstörte Synagoge (1977), die Gründung des ökumenischen Arbeitskreises Judentum-Christentum (1983), die Einladungen an jüdische Mitbürger zum Besuch der Stadt, die aus deren Reihen kommende Anregung, einen Gedenkstein für die verfolgten und ermordeten jüdischen Familien aufzustellen (1986), die Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Ruth Foster und Bernhard Grünberg (1993), Ausstellungen des Stadtarchivs und des Arbeitskreises, die Pflege des jüdischen Friedhofes unter Einbeziehung von Schulklassen, die Einweihung des Gedenkortes jüdische Schule und den Besuch von Bernhard Hanauer im Alter von 93 Jahren (2001).

Museumsleiter Dr.Andreas Eiynck berichtete, dass die Sammlung von Judaica im Emslandmuseum sehr großes Interesse bei den Besuchern hervorrufe. Er gab auch anschließend im Gedenkort jüdische Schule einen Überblick zur Geschichte, beginnend mit den ersten Spuren jüdischen Lebens im 17.Jahrhundert in Lingen über die furchtbaren Ereignisse während des Nationalsozialismus bis zu den Wiederbegegnungen mit früheren Mitbürgern in der Gegenwart.

Reinhold Hoffmann, Vorsitzender des Forums Juden-Christen, hob die Unterstützung durch engagierte Mitbürger, politische und kirchliche Gremien, Vereine etc. hervor. Erinnerungsarbeit sei der Schwerpunkt. Und es gelte, durch Zeitzeugen besonders die Jugend anzusprechen. Deidre Berger bezeichnete es als sehr ermutigend, was in Lingen geleistet worden sei. Es sei wichtig, eine solche Basis zu haben, um den Dialog in vielen neuen Phasen fortzusetzen.

Sehr beeindruckt war sie ebenfalls von der Jüdischen Geschichtswerkstatt in Freren, von deren Leiter Lothar Kuhrts sie begrüßt wurde, und der dortigen Arbeit mit Schulklassen sowie von dem Projekt jüdisches Bethaus, das sie in dieser Form als einmalig in Deutschland bezeichnete.

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