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Schwestern des ermordeten Samuel Manne nahmen an Gedenkfeier teil – Rabbiner: Bis ans Ende der Tage erinnern

Freren (lj)
„Man hört oft Menschen fragen, wie lange man sich an die Toten des NS-Regimes erinnern wird. Wir werden uns erinnern bis ans Ende aller Tage, weil das jüdische Volk in hohem Maß erinnerungsfähig ist.“ Das sagte Rabbiner Marc Stern am Montag bei der Gedenkfeier in Freren aus Anlass des 65. Jahrestages der Reichspogromnacht am Gedenkstein in der Grulandstraße. Samtgemeindebürgermeister Godehard Ritz legte einen Kranz nieder.

Die Schrecken und furchtbaren Verbrechen der Nazis seien fortwährende Mahnung, dass sich so etwas in der Zukunft nie wiederholen dürfe, rief Marc Stern aus. Anschließend trug der Rabbiner die Totenklage vor.lt-11-11-03_1

An der Gedenkstunde nahmen auch Eva und Renée Manne aus Schweden teil – das Haus ihrer Eltern im Blick, in dem ihr Bruder Samuel aufwuchs, der von den Nazis deportiert und im Alter von drei Jahren ermordet wurde. Das Gebäude, am gestrigen Tag mit Trauerflor versehen, ist in seiner Gänze zum jüdischen Bethaus geworden – früher war es nur das obere Stockwerk – und ist zugleich Begegnungsstätte für Menschen der verschiedenen Religionen.

Lehrer Lothar Kuhrts, der mit 300 Schülerinnen und Schülern erschienen war, erinnerte daran, dass auf die Stunde genau vor 65 Jahren das Bethaus von frevelhafter Hand geschändet wurde. Im Verlauf der Gedenkfeier trugen Jugendliche Gedichte vor. Als die Namen der ums Leben gekommenen Frerener Juden verlesen wurden, legten Schüler Steine mit den Namen der Ermordeten – auch den von Samuel Manne – vor den Gedenkstein.

Renée Manne bedankte sich, dass ihre Schwester und sie selbst nach Freren eingeladen worden seien. Mit Blick auf das Haus ihrer Eltern sagte sie: „Ich bin dankbar und auch gerührt, dass dieses Haus eine solch würdige Nutzung erfährt.“

Das Thema Ausgrenzung konkretisierte sie mit Erfahrungen aus ihrer eigenen Schulzeit in Schweden. „Als ich zwölf Jahre alt war, kam zu uns in die Klasse ein Mädchen mit Namen Yvonne. Wir haben sie nicht akzeptiert und waren nicht nett zu ihr. Später kam Helena hinzu. Wir mochten sie alle gern. Eines Tages wollten wir mit Helena gemeinsam nach Hause gehen, sie aber sagte: ,Ich gehe mit Yvonne und nicht mit euch.’ Da habe ich mich geschämt.“

Samtgemeindebürgermeister Godehard Ritz mahnte im Zusammenhang mit den Nazi-Gräueltaten, dass nie wieder ein Nährboden für solche Unmenschlichkeit entstehen dürfe. „Es ist heute unvorstellbar, was damals in Freren passierte, zumal wenn man bedenkt, dass die Menschen in der Stadt alle miteinander kommunizierten“

Dank der Unterstützung von Lothar Kuhrts, der bereits seit 25 Jahren die Frerener jüdische Historie aufarbeitet, konnte Godehard Ritz auf die Familiengeschichte von Renée und Eva Manne eingehen.

Die Familie lebte bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Freren. Am 14. Februar 1939 heiratete in Freren Erika Schwarz den Kaufmann Martin Manne. Sohn Samuel wurde in der Silvesternacht 1939 geboren. Bereits 1941 wurde er mit seinen Eltern und der Großmutter nach Riga deportiert, und von dort aus 1943 nach Auschwitz. Während seine Eltern den Holocaust überlebten, wurden Samuel und seine Großmutter unmittelbar nach der Ankunft Anfang November 1943 ermordet. Erika und Martin Manne siedelten nach dem Krieg nach Schweden um.

Dort kamen die Töchter Eva, heute 57 Jahre alt, und Renée, 51, zur Welt.

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