Forum Judentum Christentum

2001

Lingener Tagespost | Ritz: Diskriminierungen schon im Ansatz verhindern

10 Samstag Nov 2001

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,,Der Kindertransport nach England war meine Lebensrettung”, sagte Bernhard Grünberg, Ehrenbürger der Stadt Lingen, auf der Gedenkfeier an die Reichspogromnacht im November 1938 am Gedenkstein Grulandstraße in Freren.

Unter der Federführung von Lothar Kuhrts, Leiter der Jüdischen Geschichtswerkstatt ,,Samuel Manne” in der Alten Molkerei Freren, fand am Freitag am Gedenkstein Grulandstraße eine würdevolle Erinnerungsfeier an die grausame gedenken_2001_freren Judenverfolgung der Nationalsozialisten während des Dritten Reiches statt. Der Bildhauer Johannes Zoller, der zurzeit in der Alten Molkerei eine Ausstellung seiner Kunst präsentiert, übernahm die musikalische Gestaltung mit einer Improvisation von zwei jüdischen Friedensliedern auf seiner Querflöte.

Lothar Kuhrts, der in seiner Ansprache an den Holocaust und die furchtbaren Leiden der damaligen jüdischen Mitbürger erinnerte, konnte eine große Teilnehmerzahl begrüßen, insbesondere viele Frerener Schüler und Schülerinnen und als besondere Gäste zwei Überlebende des Holocaust, Irmgard Ohl und Bernhard Grünberg, außerdem Samtgemeindebürgermeister Godehard Ritz und Bürgermeister Klaus Prekel, die ein schönes Herbstgesteck am Mahnmal ablegten, sowie die Pastöre Ansgar Wilken und Eberhard Hündling.

In besonderer Weise gedachte Kuhrts der sechs Frerener Bürgerinnen und Bürger, die Weihnachten 1941 in Bahnwaggons nach Riga deportiert wurden. Während Simon Schwartz, Siegfried Meyberg, Emma Schwartz und Samuel Manne ermordet wurden, überlebte das Ehepaar Erika und Martin Manne in Schweden.

Godehard Ritz wies in seiner Ansprache darauf hin, dass ,,gedenken” sich erinnern bedeute und das sei das Gegenteil von verdrängen, vergessen, aber auch nicht sehen wollen. Niemals werde er begreifen, ,,wie Menschen zu solch menschenverachtendem und menschenzerstörerischem Verhalten fähig waren.”

Umso wichtiger sei es die Aufgabe eines jeden, gegen dieses Vergessen und Verdrängen anzugehen und Diskriminierungen anderer schon im Ansatz zu unterbinden. Das erfordere Zivilcourage, die aber für ein menschliches Miteinander absolut unerlässlich sei. ,,Nutzen wir die Minuten dieses Gedenkens auch, um über unser eigenes Verhalten im Alltag kritisch nachzudenken”, bemerkte Ritz abschließend.

Bernhard Grünberg, der als Lingener Junge im Dezember 1938 auf Veranlassung der Reichsvereinigung der deutschen Juden und der englischen Judenvertretung mit dem zweiten Kindertransport nach England kam, und Irmgard Ohl, die aus Osnabrück stammt und die Familie Manne im Deportationszug nach Riga kennenlernte, erinnerten in ihren kurzen Ansprachen an ihr damaliges Schicksal. Nach einem besinnlichen Musikstück beendete Bernhard Grünberg die Gedenkfeier mit dem Khaddisch, einem jüdischen Totengebet.

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Lingener Tagespost | „Deportiert nach Riga”

07 Mittwoch Nov 2001

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Ausstellungseröffnung im Kutscherhaus des Emslandmuseums

Am morgigen Donnerstag, 8. November, eröffnet das Forum Juden Christen Altkreis Lingen e.V. um 19.30 Uhr die Ausstellung ” Deportiert nach Riga – 13. Dezember 1941 – Der Bielefelder Transport “.

Zur Ausstellungseröffnung im Kutscherhaus des Emslandmuseums in Lingen werden neben dem Lingener Ehrenbürger Bernhard Grünberg auch Frau Irmgard Ohl, geb. Heimbach, aus Hamburg, die das Ghetto Riga und KZ Stutthof überlebt hat, Rabbiner Marc Stern aus Osnabrück und weitere jüdische Gäste erwartet.

Die Ausstellung, zusammengestellt und gestaltet von Frau Anne Scherger anlässlich des 60. Jahrestages der Deportation Lingener Juden nach Riga, dokumentiert die Geschichte des sog. „Bielefelder Transports”, mit dem rund 1000 Juden aus der Region Münster, Osnabrück-Emsland und Bielefeld im Dezember 1941 in das sog. Reichsjudenghetto nach Riga in Lettland deportiert wurden. Hier begann ein Leidensweg, den die meisten Deportierten nicht überlebt haben und der das Leben der wenigen Überlebenden bis heute prägt.

Die Deportationen jüdischer Bürger passierten nicht bei Nacht und Nebel, sondern vielmehr unter den sehenden Augen der damaligen Bevölkerung. Ab Oktober 1941 bereitete die Geheime Staatspolizei im Reichsgebiet in einem Prozess der völligen Entrechtung der jüdischen Mitbürger Schritt für Schritt deren Vernichtung vor. Die Deportation der jüdischen Familien Lingens vollzog sich wie in anderen Städten in drei Etappen über einen Zeitraum von Dezember 1941 bis August 1942. Nach und nach mussten die jüdischen Familien – auch aus den umliegenden kleineren Gemeinden – ihre Wohnungen aufgeben und wurden in so genannten “Judenhäusern” einquartiert. Das waren in Lingen zum einen das Haus der Familie Wolff, Marienstrasse 4, und zum anderen das Haus von Familie Herz an der Wilhelmstrasse 21.

Anlässlich des 60. Jahrestages der Deportationen nach Riga wird am 30. November auch eine Delegation deutscher Oberbürgermeister in die lettische Hauptstadt reisen und im Rahmen des von 13 deutschen Großstädten gegründeten Deutschen Riga-Komitees – beteiligt sind u.a. Berlin, Bielefeld, Dortmund, Düsseldorf, Hamburg, Hannover, Kassel, Köln, Leipzig, Münster, Nürnberg, Osnabrück und Stuttgart sowie Kiel, Lübeck, Bremen, Bocholt und Wien – den Opfern im Wald von Bikernieki (Ort der Massenerschießungen) eine würdige Grab- und Gedenkstätte einweihen, die jetzt mit Hilfe der Spenden des Komitees errichtet wurde.

Eine Rolle mit den Namen der Toten wird in einen Schrein eingelassen, darunter auch die Namen der Opfer aus allen emsländischen Orten. Mit der künftigen Pflege der Anlage durch lettische und deutsche Jugendliche soll “ein lebendiges Band der Erinnerung und Begegnung” geknüpft werden zwischen Riga und den deutschen Städten, von denen damals die Sammeltransporte ausgingen. Das wünscht sich der Volkbund deutsche Kriegsgräberfürsorge in Kassel.

Zur Eröffnung der Lingener Ausstellung am morgigen Donnerstag um 19.30 Uhr lädt das Forum ins Kutscherhaus ein.

Die Ausstellung wird bis zum 25. November zu sehen sein. Das Emslandmuseum ist von dienstags bis sonntags jeweils von 14.30 bis 17.30 Uhr geöffnet. Auf Anfrage bietet das Forum Juden Christen Führungen für Schulklassen nach telefonischer Vereinbarung (Emslandmuseum Tel. 0591 / 47601) an.

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Lingener Tagespost | Alltag jüdischen Lebens zwischen Hoffnung und Furcht

17 Mittwoch Okt 2001

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Zwei Ausstellungen im Lingener Emslandmuseum: Fotografien von Edward Serotta sowie Feste und Bräuche

Lingen (pe)
Viele Aufnahmen sind voller Melancholie, andere sprühen vor Lebensfreude: alte Menschen, die auf eine leidvolle Vergangenheit zurückblicken, und Jugendliche, die optimistisch in eine noch ungewisse Zukunft blicken. Der Betrachter dieser Fotografien zum Thema ,,Juden in Deutschland heute” kann sich ihrer Suggestionskraft nicht entziehen. Am Montagabend wurde die Ausstellung sowie die parallel dazu konzipierte Sammlung über ,,Jüdische Feste und Bräuche” im Lingener Emslandmuseum eröffnet. Musikalisch begleitet wurden sie von Liedermacher Günter Gall und Pianist Ulrich Rüge (Osnabrück), die jiddische Lieder spielten.

Zwei Ausstellungen gleichzeitig, die sich auf unterschiedliche Art und Weise dem selben Thema nähern: Menschen jüdischen Glaubens. Ihre Kombination und dadurch noch verstärkte Anschaulichkeit hebt den Reiz eines Besuches des Museums an der Burgstraße zusätzlich hervor.

Die Fotografien des amerikanischen Journalisten Edward Serotta sind Bestandteil einer  Wanderausstellung des Hauses der Geschichte in Bonn. 64 Aufnahmen Serottas, die zwischen 1993 und 1995 entstanden, sind im Emslandmuseum zu sehen. Ihre Ergänzung finden sie in der parallelen Ausstellung über ,,Jüdische Feste und Bräuche” unter anderem am Beispiel historischer Kultgegenstände aus der Judica-Sammlung des Emslandmuseums.

Die Kunsthistorikerin Veronika Molnar (Bonn) sprach denn auch dem Museum und der VHS als Veranstalter ihren Dank dafür aus, die Fotografien von Serotta ,,in so wunderbarer Weise arrangiert und ergänzt zu haben”. Die Kombination von bebilderten und gegenständlichen Eindrücken über das Judentum sei sehr gut gelungen, lobte die Kunsthistorikern bei der Eröffnung.

Serotta wolle durch seine Bilder zugleich erinnern und aufklären, sagte Frau Molnar. Die Bilder aus dem Alltag jüdischen Lebens in Deutschland drückten Furcht, Hoffnung, aber auch Fragen aus, ob ein jüdisches Leben dort nach dem Holocaust überhaupt noch möglich sei. Der 1949 in Georgia geborene Autor und Fotograf, der heute hauptsächlich in Berlin und Wien arbeitet, sieht in der starken Zuwanderung jüdischer Bürger aus der ehemaligen Sowjetunion Anfang der 90ger Jahre eine große Chance. ,,Jüdische Gemeinden haben dadurch etwas gewonnen, was sie vor zehn Jahren nicht hatten: eine Zukunft”, erläuterte die Kunsthistorikerin.

Diese Zukunft spiegelt sich auch in der Fotoausstellung wider, wobei Erinnerung und Rückbesinnung auf die leidvolle jüdische Geschichte immer mitschwingen. Besonders eindrucksvoll ist Serotta dies mit einer Aufnahme aus dem Jahr 1995 von Margret Rösler gelungen, die der Betrachter findet, wenn er sich vom Eingang des Museums aus nach links wendet. In der Hand hält die alte Dame, deren Familie in den 30ger Jahren von Berlin nach Chile floh, ein Foto von ihrer alten Wohnung. Ein Bild im Bild, das Ende und Neubeginn zugleich markiert.

Die Ausstellung zeige Hoffnung und Zuversicht als grundlegende Prinzipien, resümierte Veronika Molnar. Dennoch bleibe in den Fotografien die Vergangenheit allgegenwärtig und scheinbare Normalität müsse mit kugelsicheren Türen und Alarmanlagen gesichert werden.

Vom jüdischem Leben an einem besonderen Tag berichtete anschließend der Osnabrücker Rabbiner Marc Stern. Er brachte den Gästen den Sabbat als siebten Tag der Woche und höchsten Feiertag im Judentum näher. Seine Ausführungen zum Sabbat verknüpften die Bilder Serottas und die Ausstellungselemente zu jüdischen Festen und Bräuchen auf ebenso einfühlsame wie unterhaltsame Art miteinander. Marc Stern entwarf vor dem geistigen Auge der Zuhörer ein Bild von der zeremoniellen Vielfalt und religiösen Intensität des Sabbats, der den Worten des Rabbiners zufolge den Schöpfungsprozess vollendet: ,,Sechs Tage schuf Gott Himmel und Erde, am siebten Tag ruhte er sich aus”.

juden_in_deutschland-1Der Sabbat beginnt mit dem Einbruch der Dunkelheit am Freitagabend und endet nach Einbruch der Dunkelheit am Samstagabend. ,,Es ist ein besonderer Moment”, schilderte der Rabbiner den Anfang mit dem Entzünden der Sabbatkerzen und dem Kiddusch, der Segnung. Der Sabbat endet mit der Hawdalah, einer Zeremonie zur Trennung zwischen Feiertag und Alltag. Dabei wird eine besondere Kerze angezündet, die geflochten ist und mehrere Dochte hat, damit sie ein besonders helles Licht gibt. Sie ist ein Zeichen dafür, dass der kommende Tag der ist, an dem Gott das Licht schuf.

Solche Hawdalakerzen sind in der Parallelausstellung im Emslandmuseum ebenso zu sehen wie ein Abschnitt aus der Thorarolle und der Leuchter mit Davidstern. Ein besonderer Blickfang ist im Eingangsbereich die miniaturisierte Nachbildung der 1938 zerstörten Lingener Synagoge. In mühevoller Kleinarbeit hat der Meppener Gerd Steenken das Gebetshaus, von dem neben Erinnerungen nur noch verschwommene Fotografien existieren, wieder ins Gegenständliche transformiert. Bei 100 Stunden habe er aufgehört zu zählen, schilderte der Meppener den enormen Arbeitsaufwand. Er hat sich gelohnt, wie die aufmerksamen Blicke am Montagabend zeigten.

Die Ausstellungen Juden in Deutschland heute” und ,,Jüdische Feste und Bräuche” sind bis zum 25. November im Emslandmuseum zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 14.30 bis 17.30 Uhr. Montags ist das Museum geschlossen.

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Lingener Tagespost | ,,Die Familie Hanauer gehört zur Geschichte der Stadt Lingen”

26 Dienstag Jun 2001

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93-Jähriger und seine Familie gestern im Kutscherhaus von Oberbürgermeister Heiner Pott empfangen

Lingen (pe)
Bernhard Hanauer ist 93 Jahre alt. Zwischen seinem Geburtsort Lingen und seinem Lebensmittelpunkt, den USA, liegen Jahrzehnte, liegen vor allem schmerzvolle Erinnerungen. Viele Verwandte aus der Familie des Juden, darunter sechs Geschwister von Hanauer, fielen im Dritten Reich dem Holocaust zum Opfer. Nun ist Hanauer für eine Woche zurückgekehrt nach Lingen, wo seine biographischen Wurzeln liegen. Die beiden Töchter und die Enkelin begleiten den Vater und Großvater auf seinem Weg durch die Stadt zu Bürgern, die ihn gestern ehrenvoll empfingen.

,,Als wir von New York losfuhren, glaubten wir, dass die Reise sehr schwer für uns wird”, sagte Madeline Ravich, Enkelin von Bernhard Hanauer, im Kutscherhaus. Nun seien sie sehr erfreut über die Art, wie die Familie hier empfangen worden sei.

Im Kutscherhaus hatten Oberbürgermeister Heiner Pott und weitere Vertreter der Verwaltung und des Rates Bernhard Hanauer, seine beiden Töchter Elaine Ravich und Linda Hanauer sowie hanauer_in_lingen_1 Enkelin Madeline Ravich willkommen geheißen. Sie waren am Wochenende von New York aus nach Amsterdam geflogen, wo sie Alfred Storm von der Stadtverwaltung abgeholt hatte. ,,Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie trotz der schrecklichen Ereignisse in der Vergangenheit nach Lingen gekommen sind”, wandte sich Pott im Kurscherhaus an Bernhard Hanauer.

Die Hanauers würden zur Geschichte der Stadt gehören, unterstrich der Oberbürgermeister. Die Lingener Bürger könnten nichts ungeschehen machen, würden aber die Erinnerung an die Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung als Mahnung wach halten.

Als jüngster Sohn von Hieronymus und Friederika Hanauer war Bernhard Hanauer in Lingen aufgewachsen, lernte mit 14 Jahren Hebräisch in der Jüdischen Schule. Er besuchte das Gymnasium Georgianum, das er später verließ, um Textilkaufmann zu werden. Seine Familie hätte es gern gesehen, wenn er das Abitur gemacht und studiert hätte. Aber Bernhard wollte als Jude nicht auf die Universität gehen. Auch befürchtete er, später bei der Zulassung als Arzt oder Rechtsanwalt Schwierigkeiten zu bekommen.

Hanauer verließ deshalb Lingen als 17-Jähriger im Jahre 1925, zog nach Hagen und erlernte dort den Beruf des Textilkaufmannes. Weitere Stationen waren Kassel und Halle an der Saale. Hatte der junge Mann bis dahin noch sein Leben weitgehend selbst gestalten können, bildete die Machtergreifung der Nationalsozialisten nun einen brutalen Einschnitt. Das Leben für Juden in Deutschland wurde nach 1933 immer unerträglicher und lebensbedrohlicher, so dass auch bei Bernhard Hanauer der Gedanke an Emigration konkretere Formen annahm.

1937 kehrte Hanauer noch einmal auf eine Stippvisite nach Lingen zurück. Am Bahnhof sah er Bernd Rosemeyer, den berühmten Rennfahrer. ,,Wir waren Freunde, aber hanauer_in_lingen_2 ich traute mich als Jude zu dieser Zeit nicht, auf ihn zuzugehen”, erzählte Hanauer gestern. Er habe Rosemeyer nicht in Schwierigkeiten wollen. Doch der sei spontan an ihn herangetreten. ,,Was ist los mit dir, kennst du mich nicht mehr?”, zitierte Hanauer den Rennfahrer, dem es offenbar egal war, gemeinsam mit einem Juden gesehen zu werden.

1938 bekam er eine Einladung seines Bruders Hermann, der mit seiner Familie: Frau Elsa und die Kinder Eduard, Günther, Kurt und Leonie, inzwischen von Lingen nach Belgien emigriert war. Hanauer reiste nach Brüssel, wurde dort aber kurze Zeit später von der Geheimpolizei festgenommen. Sein Bruder Hermann besucht ihn im Gefängnis. Hanauer kam später frei. Es gelang ihm, ein Visum zur Ausreise in die USA zu bekommen. Am 1. März 1941 war es soweit. Er verabschiedete sich persönlich von seinem Bruder Hermann und der Schwester Rosa und setzte mit dem Schiff von Belgien aus nach Amerika über.

Seinen Bruder und auch die Schwester hat Bernhard Hanauer nicht mehr wiedergesehen. Hermann und Elsa Hanauer, die mit ihren Kindern in Belgien inzwischen untergetaucht waren, wurden von der Gestapo entdeckt. Sie starben in den Gaskammern von Auschwitz, ebenso ihre Söhne Eduard, Günther und Kurt. Rosa Hanauer, Bernhards Schwester, kam im Lager von Sobibor um. Nur seine Nichte Leonie entging den Schergen der Nationalsozialisten. Sie überlebte in einem belgischen Kinderheim für Kriegswaisen unter einer falschen Identität.

Über einen Suchdienst fand Bernhard Hanauer ihren Aufenthaltsort nach dem Krieg heraus und sorgte dafür, dass sie ebenfalls in die USA ausreisen konnte. Leonie Hanauer starb im März in New York. Bis zuletzt hatte sie es nicht übers Herz gebracht, ihre Geburtsstadt Lingen noch einmal zu besuchen.

Bernhard Hanauer hat dies gestern getan. Es war wohl auch eine Geste an die Bürger dieser Stadt, die in den letzten Jahren viele Zeichen der Erinnerung an die jüdischen Mitbürger Lingens gesetzt haben.

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Lingener Tagespost | ,,Licht der Erinnerung in Lingen nicht ausgelöscht”

08 Freitag Jun 2001

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Viele Bürger nahmen gestern an Grabsteinsetzung für Jeanette Herz auf jüdischem Friedhof teil

Lingen (pe)
Zahlreiche Bürger erwiesen gestern Jeanette Herz die Ehre – von anderen Menschen war sie in ihren letzten Lebensjahren entehrt und entrechtet worden, die meisten ihrer Geschwister kamen in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten um. Mit der Grabsteinsetzung für die Lingener Jüdin, die am 14. November 1941 gestorben und auf dem Friedhof an der Weidestraße begraben worden war, setzte das Forum Juden-Christen ein Zeichen der Erinnerung und Mahnung zugleich.

Kurz nach dem Tod von ,,Tante Netty”, wie Jeanette Herz in der Nachbarschaft und Verwandtschaft genannt wurde, hatten die Deportationen der Lingener und emsländischen Juden nach Riga eingesetzt. In ihrer Familie gab es niemanden mehr, der auf ihrem Grab einen Stein hätte setzen können. Für die Nichte von Jeanette Herz, Lilo Nathan-Duschinsky, war es deshalb gestern ein bewegender Moment, als der Grabstein enthüllt wurde.

Viele hatten dazu beigetragen: der Heimatverein Lingen, der sich um die Finanzierung gekümmert hatte, ebenso die Stadt, die unterstützend wirkte. Vor allem aber ist es die Arbeit von Anne Scherger, die bereits seit Jahren, ohne öffentlich Aufhebens davon zu machen, durch unermüdliche Quellenforschung und zahlreiche Gespräche mit Zeitzeugen die jüdische Geschichte Lingens wieder sichtbar macht.

So war es auch gestern. ,,Dies ist ein Tag der Erinnerung, an dem es uns gemeinsam gelungen ist, nach vielen Jahren des Vergessens das Grab der Verstorbenen der Namenlosigkeit zu entreißen”, betonte Reinhold Hoffmann, Vorsitzender des Forums Juden-Christen. Hoffmann freute sich, dass auch mehrere Jugendliche aus der Marienschule an der Gedenkstunde teilnahmen. Den weitesten Weg hatte Bernard Süskind zurückgelegt. Der in Fürstenau geborene Jude lebt seit vielen Jahren in New York und hatte eine Europareise mit einem Besuch in Lingen verbunden.

Lingens Erste Bürgermeisterin Ursula Ramelow wies darauf hin, dass durch die Grabsteinsetzung nicht nur an die jüdischen Bürger Lingens erinnert werden solle. Damit sei auch eine Mahnung verbunden, dass sich die Geschichte nicht wiederholen dürfe.

Die Geschichte von Jeanette Herz, ihr Leben in Lingen, riefen Anne Scherger und die Nichte Lilo Nathan-Duschinsky, inzwischen 80 Jahre alt, in Erinnerung. ,,Ich war sehr oft hier, um meine Tante zu besuchen, meistens in den Sommerferien”, sagte sie. Der schöne Garten ihrer Tante, gemeinsame Tage mit ihrer besten Freundin Almut Nolte, Synagogenbesuche, Besuche bei den Kohlen-Hanauers: jüdisches Leben in Lingen wurde durch die Rede von Frau Duschinsky für einen kurzen Moment wieder lebendig. Sie dankte allen für diese Steinsetzung auf dem Grab der Tante. ,,Für mich, meine Kinder und Enkel ist es sehr wichtig, dass meine Familie hier ein Andenken hat”, erklärte die in London lebende Jüdin.

Bevor die vielen Menschen auf dem jüdischen Friedhof Steine der Erinnerung auf den Grabstein von Netty Herz legen konnten, sang der Osnabrücker Rabbiner Marc Stern das ,,El Male rachamim”. In diesem Totengedenken in hebräischer Sprache sind die einzigen deutschen Worte die Namen der Vernichtungslager: Auschwitz, Stutthof, Majdanek…

Rabbiner Stern, der in den letzten Jahren häufiger in Lingen weilte, um zum Beispiel an der Enthüllung von Gedenksteinen für Emma und Jakob Wolff, letzter Synagogenvorsteher in Lingen, und der Familie von Bernhard Grünberg teilzunehmen, war voll des Lobes über dieses Engagement von Lingener Bürgern. ,,Das Licht der Erinnerung ist in Lingen nicht ausgelöscht”, unterstrich der Rabbiner.

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Lingener Tagespost | Tante Netty war bei ihren Nachbarn sehr beliebt

02 Samstag Jun 2001

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Grabstein für Jeanette Herz wird am nächsten Donnerstag enthüllt – Auch Nichte aus England kommt

Lingen (pe)
In den vergangenen Maitagen fiel das wenige Sonnenlicht, das durch den dichten Blätterbewuchs auf dem jüdischen Friedhof in Lingen den Boden erreichte, auf ein Fundament am vorderen Rand des Friedhofes an der Weidestraße. Nächsten Donnerstag wird auf diesem Fundament ein Stein stehen, der an die Lingener Jüdin Jeanette Herz erinnert. ,,Möge ihre Seele eingebunden sein in das Bündel des Lebens”, heißt die hebräische Inschrift übersetzt.

Das Bündel des Lebens: Für Jeanette Herz, die am 30. März 1875 als zweite Tochter der Eheleute Hermann und Elise Herz, geborene Meyer, in Lingen zur Welt kam, war die Wilhelmstraße der Ort, wo dieses Lebensbündel täglich mit Erlebnissen neu verschnürt wurde. Wie Anne Scherger vom Forum Juden-Christen berichtet, wuchs Jeanette wie ihre neun Geschwister im Haus mit der Nr. 21 auf. 1881 wurde sie in der Jüdischen Schule eingeschult. Nach dem Ende der Schulzeit blieb sie im elterlichen Haus, das Wohn- und Geschäftshaus (Schlachterladen) zugleich war. Sie half ihrer Mutter bis zu ihrem Tod im Jahre 1922. Dann führte sie den Haushalt allein, bediente auch im Laden und pflegte ihren Vater, der 1933 im Alter von 82 Jahren starb.

Fast 70 Jahre später: eine ältere Frau aus England ruft im Frühjahr 2000 bei Anne Scherger an. Es ist Lilo Duschinsky-Nathan, inzwischen 80 Jahre alt und eine Nichte von Jeanette Herz. Sie wolle gerne den jüdischen Friedhof in Lingen besuchen, sagt die Dame am Telefon. In einem später folgenden Brief fragt sie Anne Scherger, ob es eigentlich noch Almut Nolte gebe. Die sei in den Jugendjahren ihre beste Freundin gewesen.

Zurück in die Vergangenheit, in die Wilhelmstraße Anfang der 30-er Jahre. Tante Netty, wie sie alle nennen, ist überall ein gern gesehener Gast. Engere Kontakte bestehen vor allem zu den Wiardas in der gleichen Straße und der Familie Nolte in der Raydtstraße. Und im Sommer ist besonders viel los in der Nachbarschaft. In den Ferien reist regelmäßig Nichte Lilo Nathan aus Wuppertal an, um ihre Tante zu besuchen. Lilos beste Freundin ist Almut Nolte. Mit ihr spielt sie Schlagball auf der Wilhelmstraße oder Verstecken in Tantes Garten, der bis an den Stadtgraben heranreicht.

Unbeschwerte Sommertage verbringt sie Jahr für Jahr in Lingen bei ihrer Tante und der Freundin. 1938 reist Lilo Nathan als Au-pair-Mädchen nach England. Wie Bernhard Grünberg, jüdischer Ehrenbürger der Stadt Lingen, entkommt sie dadurch dem Holocaust. Ihre Eltern werden Lilo per Brief wohl noch über den Tod der Tante in Lingen informiert haben, die am 14. November 1941 starb – vier Wochen vor der Deportation der meisten Lingener und emsländischen Juden nach Riga. Auch Lilos Mutter Clara, eine Schwester von Jeanette Herz, zählt zu den Opfern des Naziregimes. Zusammen mit 1000 anderen Menschen jüdischen Glaubens wurde sie in das polnische Durchgangslager Izbica verschleppt und dort ermordet.

Kurze Zeit, nachdem Jeanette Herz auf dem jüdischen Friedhof neben ihren Eltern Hermann und Elise begraben worden war, gab es in ihrer Familie niemanden mehr, der einen Stein auf ihr Grab hätte setzen können. Zweien gelang die Emigration, die anderen gerieten in die Fänge der Nazis.

Pfingsten im Jahr 2000: Lilo Duschinsky-Nathan kommt erstmals nach dem Krieg wieder zu Besuch nach Lingen. Gemeinsam geht sie mit Anne Scherger über den Jüdischen Friedhof. Beim anschließenden Kaffee sieht sie dann auch ihre Freundin aus Jugendtagen, Almut Nolte, wieder. Anne Scherger hat das Treffen organisiert. Tränen fließen an diesem Nachmittag, aber die unbeschwerten Sommertage in der Wilhelmstraße und der Umgebung von Lingen rufen auch viele fröhliche Erinnerungen hervor. Frau Duschinsky äußert gegenüber Anne Scherger den Wunsch, ob für ihre Tante auf dem Friedhof ein Grabstein errichtet werden könne – neben dem der Eltern.

Der Lingener Heimatverein hat den Wunsch aufgegriffen und maßgeblich zur Finanzierung des Steins beigetragen. Auch die Stadt Lingen unterstützte das Vorhaben. Am nächsten Donnerstag findet eine Gedenkfeier auf dem Friedhof an der Weidestraße in Anwesenheit von Frau Duschinsky statt. Neben dem Grabstein für Jeanette Herz aus der Wilhelmstraße 21, die alle nur Netty nannten.

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Lingener Tagespost | Grünberg: Die Geschichte kann sich wiederholen

26 Samstag Mai 2001

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Besuch des Forums Juden-Christen

Lengerich (pe)
Bernhard Grünberg ist ein bescheidener Mensch. ,,Ich fühle mich geehrt, an dieser Sitzung teilzunehmen”, sagte der jüdische Ehrenbürger der Stadt Lingen zu Beginn eines Treffens des neu gegründeten Forums Juden-Christen am Mittwochabend im Lengericher Rathaus. Tatsächlich war es wohl eher umgekehrt. Das Forum durfte sich geehrt fühlen, dass der 78-Jährige sich die Zeit nahm, kurz vor Beginn einer Berlinreise den Mitgliedern aus seinem bewegten Leben zu erzählen.

Grünberg war im Rathaus auch von Samtgemeindebürgermeister Josef Liesen und seinem Stellvertreter Werner Schräer begrüßt worden. Die Biografie des gebürtigen Lingeners ist untrennbar mit den Leiden des jüdischen Volkes während der Zeit des Nationalsozialismus verbunden. Grünbergs Eltern Bendix und Marianne sowie die Schwester Gerda kamen im Getto von Riga und im Konzentrationslager Stutthof ums Leben. Bernhard Grünberg überlebte die Nazigräuel, weil er als 15-Jähriger im Rahmen eines Kindertransportes nach England ausreisen konnte.

Mit bewegenden Worten schilderte Grünberg, wie er sich 1938 im Zug von seinem Vater verabschiedete, der ihn bis zur niederländischen Grenze begleitet hatte. Was beide nicht wussten: der Abschied im Zug war ein Abschied für immer…

Grünberg wurde im Dezember 1995 gemeinsam mit Ruth Foster, geborene Heilbronn, von der Stadt Lingen mit der Ehrenbürgerschaft ausgezeichnet. Auch deren Eltern hatten den Holocaust nicht überlebt. Der 78-Jährige lebt ebenso wie Frau Foster in Großbritannien. Ein schweres Leben – nein, das habe er nicht, sagte Grünberg. ,,Ich bin heute am Leben, das ist mehr, als man von sechs Millionen anderen sagen kann”, erinnerte der Jude an das Schicksal seines Volkes während des Dritten Reiches.

Vor diesem Hintergrund werde er oft gefragt, woher er die Kraft nehme, nach Deutschland zurückzukehren, erklärte der 78-Jährige. Seine Antwort: ,,Man kann nicht die Kinder für die Taten der Eltern verantwortlich machen”. Grünberg nahm aber diese ,,Kinder” in die Pflicht, wachsam zu sein. Er halte es für durchaus möglich, dass sich die Geschichte noch einmal wiederholen könne und sich der Hass dann gegen andere Minderheiten in Deutschland, wie zum Beispiel Ausländer, richte.

Solchen Tendenzen entgegen zu treten, gehört auch zu den Aufgaben des Forums Juden-Christen im Altkreis Lingen. Der im April gegründete Verein ist Nachfolger des Arbeitskreises Judentum-Christentum. Das Forum sieht einen Schwerpunkt seiner Arbeit auch in der Einbeziehung von Jugendlichen. So wird im September Sally Perel im Lengericher Schulzentrum aus seinem Buch ,,Ich

gruenb-lengerich

war Hitlerjunge Salomon” lesen. Es ist die wahre Lebensgeschichte eines jüdischen Kindes, das den Holocaust als Hitlerjunge überlebt – ein Plädoyer für das Recht des Menschen auf Leben – jenseits aller Ideologien und Glaubensrichtungen.

In diesem Jahr ist nach Angaben von Reinhold  Hoffmann, Vorsitzender des Forums, außerdem der Besuch des israelischen Botschafters in der Stadt Lingen vorgesehen. Fest eingeplant ist auch ein Besuch von Paul Spiegel, Vorsitzender des Zentralrates der Juden in Deutschland Anfang 2002.

Der Teilnahme von Bernhard Grünberg an der Sitzung des Forums Juden-Christen war ein kurzer Gang zum Gedenkstein im Lengericher Bürgerpark vorausgegangen. Dieser war 1987 zur Erinnerung an die jüdischen Familien mit Namen Heilbronn errichtet worden. In drei Häusern im Dorf hatten jüdische Bürger gewohnt, bevor sie unter den Nationalsozialisten alles verloren. Forumsvorsitzender Reinhold Hoffmann regte in diesem Zusammenhang an, ob nicht auch die Gemeinde Lengerich über eine Ehrenbürgerschaft für die Nachkommen der Familien Heilbronn nachdenken könne.

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Lingener Tagespost | ,,Erinnerungen müssen im Alltag Stolpersteine sein”

20 Freitag Apr 2001

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Redner würdigten Gründung des Forums Juden-Christen

Lingen (pe)
Auch 56 Jahre nach dem Ende der Nazidiktatur ist es notwendig, dass sich ein Verein wie das neue Forum im Altkreis Lingen mit dem Juden- und Christentum beschäftigt. Darauf wies der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Osnabrück, Michael Grünberg, in einer Rede bei der Gründungsversammlung im Lingener Rathaus hin.

Angesichts jüngster Entwicklungen in Deutschland sei es weiterhin erforderlich, zu erinnern und zu gedenken. Noch wichtiger sei es allerdings, Aufklärungsarbeit zu leisten und ein gegenseitiges Kennenlernen zu ermöglichen. Grünberg appellierte deshalb an das ,,Forum Juden-Christen”, in die Kindergärten und Schulen zu gehen. Es gelte, zu zeigen, ,,dass es in Deutschland möglich ist, in verschiedenen Kulturen leben zu können.”

Auf das problematische Verhältnis zwischen Juden und Christen ging Pastor Wolfgang Becker in seinen Ausführungen ein. Aus der zahlenmäßigen Überlegenheit der Menschen christlichen Glaubens habe sich im Laufe der Geschichte ein Überlegenheitsdenken entwickelt, das er bereits im Ansatz für falsch halte, betonte Becker.

Dieses Denken habe zu ,,Denk- und Wahrnehmungsblockaden ersten Ranges geführt”, erläuterte der Pastor weiter. Christen und auch Nichtchristen stünden deshalb vor der Aufgabe, ein neues Verhältnis zum Judentum zu gestalten. ,,Wenn es nicht mehr Überlegenheit sein soll, muss es Brüderlichkeit sein”, gab der frühere Vorsitzende des Arbeitskreises Judentum-Christentum die Richtung vor. Die Vereinsgründung bezeichnete Becker als konsequent, weil sie Bürgern und Institutionen die Möglichkeit eröffne, durch eine Mitgliedschaft ihre Zustimmung bei der Gestaltung einer neuen Beziehung zwischen Juden und Christen aufzuzeigen.

Als wichtiges Signal, Zeichen gegen das Vergessen zu setzen, bewertete Oberkreisdirektor Hermann Bröring die Vereinsgründung des neuen Forums. Er begrüßte es ausdrücklich, dass sich Bürgerinnen und Bürger seit Jahren um einen Brückenbau zwischen Juden- und Christentum bemühten. Dieser Einsatz trage dazu bei, den Schrecken der Vergangenheit zu ertragen, denn überwinden könne man diesen nie. Er wünsche sich, dass der Verein viele neue Mitglieder gewinne. Vielleicht gelinge es ja auch, entsprechende Aktivitäten auf den ganzen Landkreis auszudehnen. Bröring sagte abschließend dem neuen Forum die Unterstützung des Landkreises bei seiner weiteren Arbeit zu.

Als überaus gelungen bezeichnete die SPD-Bundestagsabgeordnete Monika Heubaum die Namensgebung des Vereins. ,,Forum” stehe übersetzt für einen öffentlichen Versammlungsplatz. Die Öffentlichkeit solle Kenntnis nehmen von dieser Arbeit, deren Bedeutung angesichts von 14000 Straftaten im letzten Jahr mit fremdenfeindlichem oder antisemitischem Hintergrund gar nicht hoch genug zu bewerten sei. ,,Ich wünsche mir, dass heute der Grundstein gelegt wurde, weniger übereinander, sondern mehr miteinander zu sprechen”, sagte die Sozialdemokratin abschließend.

,,Erinnerungen müssen Stolpersteine des Alltags sein gegen das Vergessen”, sagte Dr. Hermann Kues. In diesem Sinne komme dem neuen Forum eine wichtige Bedeutung zu. Der CDU-Politiker mahnte außerdem, wachsam zu bleiben gegenüber Gefährdungen, denen heute vor allem jüngere Menschen ausgesetzt seien. Fremdenfeindliche oder menschenverachtende Musiktexte oder Aufdrucke auf T-Shirts und ähnliches mehr stellten Tendenzen dar, die nicht verharmlost würden dürften, sagte der Christdemokrat.

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Lingener Tagespost | Forum: Brückenschlag zwischen Juden und Christen

20 Freitag Apr 2001

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Feierliche Vereinsgründung im Lingener Rathaus – Hoffmann: Zivilcourage notwendig – Dank an Mitglieder

Lingen (pe)
Brücken schlagen zwischen Juden und Christen, ein Zeichen gegen das Vergessen setzen, Fremdenfeindlichkeit entgegentreten: dies sind die Ziele des neuen Vereins ,,Forum Juden-Christen Altkreis Lingen”, der am Mittwochabend im Rahmen einer feierlichen Versammlung im Sitzungssaal des Lingener Rathauses gegründet wurde. Das Forum tritt damit die Nachfolge des Arbeitskreises Judentum-Christentum an, den Josef Möddel 1983 gegründet hatte.

forum_unterz2Es war ein hoffnungsvoller Anfang für den neugegründeten Verein unter dem Vorsitz von Reinhold Hoffmann, dass neben Oberbürgermeister Heiner Pott auch Frerens Verwaltungschef Heinz Finke, Samtgemeindebürgermeister August Bölscher, Lengerichs Samtgemeindebürgermeister Josef Liesen, Oberkreisdirektor Hermann Bröring und die beiden Bundestagsabgeordneten Monika Heubaum (SPD) und Dr. Hermann Kues (CDU) ihre Unterschrift auf die Gründungsurkunde setzten. Der Verein steht somit nicht nur aufgrund der bereits erfolgten umfassenden Vorarbeit in den vergangenen Jahren auf einem tragfähigen Fundament. ,,Wenn Sie die Gründungsurkunde unterschreiben, dann ist dieses für die Zukunft ein äußerst wichtiges Zeichen gegen Antisemitismus und Rechtsradikalismus”, betonte Hoffmann.

Zuvor hatte Oberbürgermeister Pott in einer Einführung auf den wechselvollen Umgang der Stadt Lingen mit der Geschichte der jüdischen Gemeinde in der Kommune hingewiesen. Pott ließ nicht unerwähnt, dass es der Stadt im Jahr 1975 kein einziges Kapitel in der Chronik aus Anlass ihres 1000-jährigen Geburtstages wert gewesen war, auf die ehemaligen jüdischen Mitbürger hinzuweisen. ,,Das Bewusstsein, die Sensibilität für dieses Thema war einfach nicht vorhanden”, erläuterte der OB.

schergerSeitdem hat sich, so Pott weiter, in der Stadt Lingen im Umgang mit der eigenen Geschichte sehr viel getan. Der Verwaltungschef erinnerte schlaglichtartig an die Errichtung von Gedenksteinen auf dem Jüdischen Friedhof für den letzten Synagogenvorsteher Jacob Wolff und die Familie Grünberg, die Renovierung und Gestaltung der Jüdischen Schule zur Gedenkstätte und die Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Ruth Foster und Bernard GrünbergDie Eintragung als Verein mache deutlich, dass eine Fortsetzung der intensiven Arbeit beabsichtigt sei, sagte Pott. Er dankte den Mitgliedern in Lingen, Freren und Lengerich für ihr bisheriges Engagement, durch intensive Aufarbeitung der Vergangenheit aufzuklären, zu erinnern und zu mahnen. ,,Insbesondere hinsichtlich des zunehmenden Rechtsradikalismus und einer anscheinend antisemitischen Haltung in bestimmten Gruppierungen unseres Landes ist diese Arbeit notwendiger denn je”, unterstrich der Oberbürgermeister.

Reinhold Hoffmann dankte anschließend Josef Möddel, seinem Amtsvorgänger Pastor Wolfgang Becker, Anne Scherger, Gerhard Sels aus Lengerich und dem Frerener Lothar Kuhrts für alles, was sie bereits im Sinne eines Brückenschlages zwischen Juden und Christen geleistet haben. ,,Jeder von Ihnen war und ist ein gutes Vorbild für Zivilcourage”, betonte Hoffmann.

Bei der Vorbereitung der Gründungsveranstaltung sei er gefragt worden, ,,warum man die Geschichte mit den Juden nicht endlich ruhen lässt”, sagte der Vorsitzende weiter. Und häufig höre er, dass ,,auch wir doch sehr viel Leid ertragen haben”. Der Baccumer machte in diesem Zusammenhang deutlich, dass es nicht um die Frage der Schuld gehe. ,,Es geht um Verständigung und Versöhnung. Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung. Wir sind es den Opfern der Shoa schuldig, sie und ihr Leiden niemals zu vergessen. Wer diese Opfer vergisst, tötet sie noch einmal.”

Hoffmann erinnerte daran, dass man zwar in einer Region lebe, in der die Polizei nicht jeden Tag eine Straftat mit rechtsradikalem liesen Hintergrund aufnehmen müsse. Die Schändungen von Gedenkstätten und jüdischen Friedhöfen im Altkreis Lingen in der jüngsten Vergangenheit hätten aber auch deutlich gemacht, dass niemand die Augen vor solchen Entwicklungen verschließen dürfe. ,,Unsere Antwort muss daher sein: Wehret den Anfängen”, forderte Hoffmann, geschehenes Unrecht zu benennen und Zivilcourage zu zeigen. Nach seinen Angaben konnte die Schändung des Jüdischen Friedhofes in Freren aufgeklärt werden. Die Täter, die nicht aus Freren stammen, wurden von der Polizei ermittelt.

,,Aus vielen Gesprächen der letzten Wochen wissen wir, wie anfällig besonders sozial schwache Jugendliche für radikale Parolen sind”, erläuterte Hoffmann weiter. Hier liege eine der zukünftigen Aufgaben des Forums Juden-Christen, unterstrich der Vorsitzende. So will der Verein mit Programmen des Bundes und des Landes versuchen, benachteiligten Jugendlichen eine Perspektive zu vermitteln. Außerdem ist geplant, in den nächsten Jahren das gesamte Archiv- und Dokumentationsmaterial über das jüdische Leben in dieser Region für das Internet aufzubereiten. ,,Besonders den jungen Menschen an unseren Schulen möchten wir es zur Verfügung stellen”, sagte Hoffmann.

Als weitere Aufgaben nannte er die Förderung eines Schüleraustausches mit Israel, die Erhaltung und Pflege der Jüdischen Friedhöfe, des Gedenkortes Jüdische Schule sowie der ,,Samuel Manne”-Geschichtswerkstatt in Freren. Hoffmann drückte abschließend seine Freude darüber aus, dass sich inzwischen bereits über 40 Bürgerinnen und Bürger im Altkreis Lingen für eine Mitgliedschaft im neuen Verein entschieden hätten. Weitere seien herzlich willkommen. Anträge würden unter anderem in den Verwaltungen in Lingen, Freren und Lengerich bereitliegen.

Umrahmt wurde die Feierstunde vom Quartett des Lingener Kammerorchesters unter der Leitung von Karl-Heinz Schmidt. Somit erhielt die Veranstaltung nicht nur durch die Redebeiträge (siehe auch den weiteren Bericht auf dieser Seite), sondern auch auf musikalische Weise einen würdevollen Rahmen.

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Lingener Tagespost | Arbeitskreis Judentum-Christentum will seine Jugendarbeit verstärken

01 Donnerstag Mrz 2001

Posted by forumjc in 2001, Archiv

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Hoffmann: Demnächst Vereinsgründung – Martin Bormann liest am 6. März

Lingen (pe)
Der Arbeitskreis Judentum-Christentum will sich verstärkt darum bemühen, in seiner Arbeit Jugendliche im Altkreis Lingen anzusprechen. Dies erklärten Vorsitzender Reinhold Hoffmann (Lingen) und seine beiden Stellvertreter Lothar Kuhrts (Freren) und Stephan Manemann (Lengerich) in einem Gespräch mit unserer Zeitung.

Im Vorstand des Arbeitskreises hatte es vor einigen Wochen Veränderungen gegeben, da der bisherige Vorsitzende, Pastor Wolfgang Becker, sein Amt zur Verfügung stellte. Ein Ziel seines Nachfolgers Reinhold Hoffmann ist es, dem Arbeitskreis eine neue Organisationsform zu geben. Durch die anvisierte Vereinsgründung wollen die Mitglieder noch stärker auf ihre Arbeit aufmerksam machen. Außerdem verspricht sich der Arbeitskreis davon eine Verbreitung seiner finanziellen Basis.

Wie Hoffmann, Kuhrts und Manemann weiter erläuterten, wolle der Arbeitskreis vor dem Hintergrund der jüngsten Zerstörungen auf den jüdischen Friedhöfen in Lingen und Freren sowie am Gedenkstein in Lengerich die Jugendarbeit intensivieren. In dieser Altersgruppe gelte es anzusetzen, damit sich solche Ereignisse nicht wiederholten.

“In Brandenburg wird jeden Tag eine rechtsradikale Tat begannen”, sagte Lothar Kuhrts. Auch in dieser Region gebe es besorgniserregende Tendenzen, denen man mehr Aufmerksamkeit widmen solle. ,,Viele Leute haben aber einfach Angst, etwas zu sagen”, betonte Kuhrts, Leiter der jüdischen Geschichtswerkstatt ,,Samuel Manne” in der Alten Molkerei in Freren.

In diesem Zusammenhang wies Reinhold Hoffmann darauf hin, dass in den Kommunen Vorfälle mitunter ,,gedeckelt” würden, damit kein schlechtes Licht auf ihnen falle. Was den Schutz von jüdischen Objekten anbelangt, so will der Arbeitskreis auch seine eigenen Bemühungen zu deren Schutz verstärken.

Der Arbeitskreis Judentum-Christentum hat im Übrigen ein thematisch sehr ansprechendes Veranstaltungsprogramm für dieses Jahr zusammengestellt. Die nächste Veranstaltung findet am Dienstag, 6. März, um 20 Uhr in der Geschichtswerkstatt in Freren statt. Dort liest Martin Bormann aus seinem Buch ,,Leben gegen den Schatten.” Bormann, Jahrgang 1930, war ältestes von zehn Kindern des Sekretärs Adolf Hitlers, Martin Bormann. Hitler war sein Taufpate. Als Kind lebte er mit seiner Umgebung in der Umgebung des ,,Führers” auf dem Obersalzberg. Seit 1987 ist er Mitglied der Gruppe ,,Täterkinder-Opferkinder”.

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